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Arbeiten am Gimritzer Damm Was passiert, wenn in den nächsten Wochen in Halle ein Hochwasser droht?

Es wird gebohrt und gegossen: Die Arbeiten an der Schutzwand gehen voran. Doch was passiert, wenn in den nächsten Wochen ein Hochwasser droht?

Von Dirk Skrzypczak 23.07.2021, 17:04
Am Gimritzer Damm wird bereits die Schalung für die eigentliche Hochwasserschutzmauer gesetzt, damit der Beton eingegossen werden kann.
Am Gimritzer Damm wird bereits die Schalung für die eigentliche Hochwasserschutzmauer gesetzt, damit der Beton eingegossen werden kann. (Foto: Dirk Skrzypczak)

Halle (Saale)/MZ - Zwischen dem Pumpenhaus der Halleschen Stadtwirtschaft und dem nördlichen Ende der Halle-Saale-Schleife arbeiten die Bautrupps wie in einem Canyon. Mehrere Meter stürzt die steile Böschung hinab. Dass Fußgänger und Radfahrer den alten Deich am Gimritzer Damm als Weg derzeit nicht nutzen dürfen, erklärt sich von selbst. Hans-Friedrich Unverhau ist Chef auf einer der wichtigsten Baustellen für Hochwasserschutzanlagen in Sachsen-Anhalt.

Der 59-Jährige ist einer der erfahrensten Mitarbeiter im Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW), hat an allen großen Flüssen im Land schon Deiche gebaut. „Die Lösung, die wir für den Gimritzer Damm gefunden haben, ist anspruchsvoll“, sagt er. Statt des alten Damms wird eine Mauer aus Stahlbeton errichtet. Sie soll Neustadt vor der Saale schützen, wenn wie 2013 ein Hochwasser auf die Stadt zurollt.

Am Gimritzer Damm wird an drei „Fronten“ parallel gearbeitet

Am Gimritzer Damm wird an drei „Fronten“ parallel gearbeitet. Imposant ist der mächtige Bohrer, der sieben Meter tiefe Löcher in den Boden treibt - 425 auf einer Länge von 1.240 Metern. In diese Kanäle werden Körbe aus einem Stahlgeflecht geschoben und mit Beton ausgegossen. Auf die Pfähle kommt ein zwei Meter breiter Kopfbalken aus Beton, auf dem letztlich die Mauer steht. „Pfeiler, Balken und Wand werden dabei quasi miteinander verflochten“, sagt Unverhau. Was er damit meint: Die Stahlstreben der Bewehrung werden verbunden. Die Bewehrung selbst wird gebraucht, um den Beton zusammenzuhalten. Fachleute wie Unverhau sprechen vom Stahlwasserbau.

Der Kopfbalken, auf dem die Schutzmauer letztlich steht, wird ebenfalls aus Beton gefertigt. Die Stahlbewehrung soll den Beton stabilisieren.
Der Kopfbalken, auf dem die Schutzmauer letztlich steht, wird ebenfalls aus Beton gefertigt. Die Stahlbewehrung soll den Beton stabilisieren.
(Foto: Dirk Skrzypczak)

100 Bohrlöcher sind in etwa schon geschafft. Drei bis vier Tage benötigt der Beton in den Schächten, um soweit auszuhärten, dass er bearbeitet werden kann. Die Krone der Pfeiler wird danach per Hand abgeklopft, um die oberen Streben der Bewehrung freizulegen. Danach wird die einen Meter breite Schalung für den Kopfbalken gesetzt und der Innenraum wieder mit Beton ausgegossen. Im Norden der Baustelle sind die Firmen Papenburg und Eurovia schon so weit, dass sie dort mit dem Bau der eigentlichen Wand beginnen können. „Bislang klappt es ganz gut. Die Unternehmen verstehen ihr Geschäft. Probleme gibt es keine“, sagt Unverhau.

„Jetzt befinden wir uns wieder im Plan“

Zum Baustart im Mai sah die Lage noch anders aus. Da waren die Arbeiter in den Tiefen des Gimritzer Damms auf Überraschungen gestoßen. Eine alte Fernwärmeleitung etwa, die auf einer Strecke von 150 Metern direkt am ehemaligen Deichfuß lag und der Bohrachse im Weg war. Auch alte Fundamente wurden freigelegt und abgebrochen. Das hatte anfangs zu einer Verzögerung geführt. „Jetzt befinden wir uns wieder im Plan“, sagt LHW-Direktor Burkhard Henning.

Mit einem Bohrer werden sieben Meter tiefe Löcher in die Erde getrieben - sie sind für 425 Pfähle gedacht, auf denen die Schutzmauer steht.
Mit einem Bohrer werden sieben Meter tiefe Löcher in die Erde getrieben - sie sind für 425 Pfähle gedacht, auf denen die Schutzmauer steht.
(Foto: Dirk Skrzypczak

Dem neuen Hochwasserschutz am Gimritzer Damm komme eine Schlüsselrolle zu. „Im Hochwasserfall wären hier besonders viele Menschen betroffen, zudem wichtige Infrastruktureinrichtungen.“ Durch die „Operation am offenen Herzen“, wie Henning die Arbeiten bezeichnet, ergibt sich für Neustadt allerdings eine brisante Situation. Sollte jetzt eine Flut anrollen, müsste Halles größter Stadtteil mit einer enormen Kraftanstrengung geschützt werden. „Dafür gibt es ein Notfallkonzept, das wir mit der Stadt abgestimmt haben“, sagt Henning. Ab Alarmstufe 1, das wären am Pegel Trotha vier Meter, müssten auf der Baustelle die Erdarbeiten eingestellt werden - steigt der Fluss höher, würden die Notfallszenarien greifen, die bis zu einem provisorischen Deich reichen.

Der entscheidende Termin auf dem Gimritzer Damm sei daher Februar 2022, sagen Henning und Unverhau. Dann soll die Mauer, die je nach Geländeprofil bis zu 1,1 Meter sichtbar sein wird und auf die man sich auch setzen kann, schon ihre volle Schutzfunktion haben. Bis Ende Juni nächsten Jahres sollen dann auch die Restarbeiten erledigt sein. „Wir bauen so, dass die Schutzwand 100 Jahre hält“, sagt Unverhau.