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Wahlkampf in Halle auf Plakaten Wahlkampf in Halle auf Plakaten: Bedenkenswertes, Bedenkliches und Skurriles

Von Detlef Färber 29.04.2019, 04:00
Dicht an dicht und auf den ersten Blick ganz einträchtig beieinander hängen sie, die Werbeplakate der Parteien und Kandidaten für die hallesche Kommunalwahl wie für die Europawahl am 26. Mai 2019.
Dicht an dicht und auf den ersten Blick ganz einträchtig beieinander hängen sie, die Werbeplakate der Parteien und Kandidaten für die hallesche Kommunalwahl wie für die Europawahl am 26. Mai 2019. Lutz Winkler

Halle (Saale) - Es sollten die schönsten Wochen im Wähler-Dasein sein - jene Wochen kurz vor der Wahl: Denn immer dann kommt man sich als Inhaber einer Wahlbenachrichtigung fast so vor wie die berühmte Königstochter: Die, vor deren Tür die Prinzen Schlange stehen, um ein paar Rätsel zu lösen und die Hand der Prinzessin zu ergattern?

Kaum anders als den Prinzen ergeht es dieser Tage Hunderten Kandidaten, die es ebenfalls auf eine Hand abgesehen haben, die des Wählers. Wenn auch nur zu dem einen Zweck, dass dessen Hand doch bitte schön seine (wenn’s geht gleich drei) Kreuze hinter ihrem Namen machen möge. Und was tut man als Kandidat dafür - in jener Zeit, die wir Wahlkampf nennen? Richtig: Um Gunst werben! Werben mit Versprechen, mit guten Worten oder gar mit Komplimenten.

Zahllose Wahlplakate links und rechts der großen Stadtstraßen in Halle

Nachzulesen sind die dahingehenden Versuche dieser Tage auf zahllosen Plakaten links und rechts der großen Stadtstraßen. Doch eingebettet in teils bedenkenswerte, teils auch bedenkliche Sätze scheint - wie schon bei vorangegangenen Wahlen - auch wieder der Wettbewerb um den skurrilsten Slogan und den bestgemeinten Gedankenstolperer ausgebrochen zu sein.

Dabei fällt auf, dass sich die Sprüche zum Schlapplachen ziemlich gerecht über das gesamte Spektrum der Parteien verteilen, weshalb den folgenden Kostproben ihre Herkunft gar nicht zugewiesen werden soll. Somit tut sich hier mal die Chance auf ein heiteres Parteien-Raten auf. Dessen Auflösung lässt sich dann leicht im Stadtbild finden.

Wahlplakate in Halle: „mit Haut und Haaren für Halle!“

Zum Beispiel, wer von den Stadtratskandidaten sich „Mit Haut und Haaren“ ... etwa in Halle verlieben will? Nein, es heißt „mit Haut und Haaren für Halle!“, aber was? Sich ins Zeug legen, einsetzen oder gar aufopfern? Im Fall der Wahl des Kandidaten (so viel sei hier verraten: ein Mann mit grau melierten Schläfen) wird sich erst rausstellen, was genau er gemeint hat.

Ganz und gar rebellieren will offenbar sogar ein Kandidat, der sich „Rebell für den Frieden in Halle“ nennt - und damit den angestaubten Wortsinn, dass ein Rebell sich nur gegen etwas auflehnen könne, zumindest in der hiesigen Provinz außer Kraft zu setzen gedenkt.

Wahlplakate in Halle: „Gemeinwohl Sta(d)tt Egoismus“

Immerhin gehört dieser Kandidat aber schon mal zu den fleißigsten Plakatierern, womit er auch seinem wiederum rätselhaften Zweit-Slogan „Gemeinwohl Sta(d)tt Egoismus“ die nötige Verbreitung verschafft: Meint er eine Art Egoismus zugunsten der Stadt, „Halle first!“ ganz und gar? Das würden der benachbarte Saalekreis und die befreundete Stadt Magdeburg dann aber gemeinsam „ganz gemein“ finden.

Auf den meisten Plakaten ist wohl auch deshalb „Halle“ mit einem absichtlich ungenaueren „hier“ ersetzt. Einige Kandidaten leiten den dringenden Appell, ausgerechnet sie zu wählen, mit einer geradezu umwerfenden Logik her: „Weil wir hier leben.“ Doch was, wenn wir nicht hier lebten, oder vielleicht nur am Wochenende? Müssten oder dürften „wir“ dann doch lieber die Anderen wählen? Und wenn ja, dann welche?

Wahlplakate in Halle: „Damit Junge hier alt werden wollen“

Einen anderen Ton und Farbton bringt dann der Slogan: „Blau wählen!“ ins Spiel. Was einerseits zwar den Appell enthalten mag, bei dieser Wahl mal nicht blau zu machen. Zieht man dann aber eine Parallele zwischen Fahrtauglichkeit und Wahltauglichkeit, müsste von diesem Rat wohl eher abgeraten - und jedem empfohlen werden, dem Urnengang die nötige sonntagmorgendliche Ausnüchterung vorzuschalten.

Ein eher oma/opamäßiges Jugendverständnis offenbart der Wahlspruch „Damit Junge hier alt werden wollen“. Wie wär’s denn lieber erstmal mit „jung sein“ und „jung bleiben können“ in einer lebendigeren Stadt Halle? Auch, dass „bezahlbar wohnen schon die halbe Miete“ sei, wirft eher Fragen auf. Was wäre dann die andere halbe Miete? Der Slogan mag zwar eine Redensart sein, klingt aber auch nach Makler-Latein. Besser man wirft da - wie immer und wie bei jedem Mietvertrag(!) - noch einen Blick ins Kleingedruckte.

Wahlplakate in Halle: „Kommt, wir bauen ein neues Europa!“

Geradezu schwindelig geredet fühlt man sich schließlich bei einem der Europa-Wahl-Slogans: „Europa. Die beste Idee, die Europa je hatte!“ Unterstellt, dass dem so ist (Europa hatte und hat unzählige gute Ideen), macht der nächste Satz ratlos: „Kommt, wir bauen ein neues Europa!“ Wie das? Täten’s nicht auch ein paar Schönheitsreparaturen oder Stützpfeiler an einem so soliden Bau, der ja die beste Idee seit je sei - statt hier gleich (schweineteuer!) neu bauen zu wollen?

Zumindest Häuslebauern wird man so was erklären müssen.

Alle einig: Es ist dringlich

Fast einhellig klingt aus allen Slogans - egal ob für die lokale oder die kontinentale Wahl - eine umfassende Handlungsdringlichkeit bei allen Themen. Was folgerichtig fehlt, ist ein Besonnenheitsslogan in der Art von „Gutes beibehalten, bloß nix überstürzen!“ In diese Richtung geht nur ein Satz: Zwar keiner der auf den Plakaten steht, aber einer, den ein siebenjähriger Hallenser, vor dem Wald der Wahlplakate stehend, am Donnerstag gelassen ausgesprochen hat, auf die Frage, wie so eine Wahl wohl laufen mag: „Erst mal“, sprach der Knabe, „wird gewählt, dann wird zwei Jahre gewartet und dann wird es in die Tat umgesetzt.“

Zwei Jahre!? Der Vorteil dieses Verfahrens wäre enorm: Hieße das doch für den Wähler, dass er auf all die vor der Wahl versprochenen Wohltaten nicht erst bis zum nächsten Urnengang warten müsste. (mz)