Stählernes Herz von Halle Waggonbau Ammendorf: Er hat "das stählerne Herz"von Halle vor dem Aus gerettet

Halle (Saale) - Nanu, der Chef in der Grube? Dort, wo die Arbeit schwierig und nicht nur gelegentlich auch ölig und etwas schmutzig ist: Motive dieser Art sind beliebt, wenn es um Industriebetriebe und ihre Manager geht, suggerieren sie doch die dann dauernde Nähe zur Basis, die aber oft nur mehr oder minder stark ausgeprägt ist. Bei Uwe Albrecht hingegen bildet genau dieses Bild eine ganze Geschichte ab: Seine Geschichte und die seiner Firma, die den ersten Teil des Berufslebens dieses Hallensers geprägt hat.
Bis Albrecht im Jahr 2005 den Spieß umdrehen musste. Seither prägt er als Geschäftsführer die Entwicklung von Halles einstigem industriellen Flaggschiff Waggonbau Ammendorf. Er hatte keine Wahl.
Waggonbau in Ammendorf stand vor 13 Jahren vor dem Aus
Denn vor 13 Jahren blickten die Ammendorfer in den Abgrund: Es drohte das Ende einer Ära, die 1823 mit der Gründung der Sattlerwerkstatt von Gottfried Lindner noch in Halle begonnen und später mit der Herstellung von Wagen zunächst für Pferdebahnen und die ersten „Elektrischen“ ihre bleibende Richtung bekommen hatte.
Zu dieser Richtung gehörte auch das Wachstum, das im Jahr 1900 den Umzug nach Ammendorf nötig machte, wohin auch sehr preiswerte Gewerbeflächen lockten. Von da an begann ein Höhenflug, der die Gottfried Lindner AG in ihrer Branche mit an die Weltspitze führte, so dass sie für die Region zu einer der Säulen ihrer Wirtschaftskraft wurde.
„Das stählerne Herz Halles“ nennt sie Sven Frotscher, der Chronist „der Waggon“, wie sie der Hallenser kurz und liebevoll nannten. Fünf Bände dieser atemberaubenden Chronik sind im hiesigen Mitteldeutschen Verlag bereits erschienen - mindestens zehn sollen es werden, denn: Es gibt tatsächlich sehr viel zu dokumentieren und abzubilden.
Waggonbau in Ammendorf: 200 Jahre Höhen und Tiefen durchlebt
„Fast 200 Jahre durchlebten die Firmen Lindner, Waggonbau Halle und MSG alle Höhen und Tiefen“, fasst Frotscher zusammen. Und die letztgenannte MSG - sprich die Maschinenbau und Service GmbH Waggonbau Ammendorf - verdankt ihre Existenz dem Retter Uwe Albrecht und seinem Team.
Albrecht, inzwischen 57 - hat vor über 40 Jahren im VEB Waggonbau angefangen, eine Lehre als Maschinen- und Anlagenmonteur mit Abitur absolviert, ist nach dem Studium als Diplomingenieur wiedergekommen und war als Konstrukteur praktisch an allen Innovationen beteiligt, die zu DDR-Zeiten den VEB Waggonbau zum Weltexportführer in der Branche machten - mit bis zu tausend Wagen Jahresproduktion - drei komplette Wagen pro Tag also!
Bombardier schloss Waggonbau Ammendorf
Doch war diese Rekordmarke nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion, aus der einst ein Großteil dieser Waggon-Aufträge kam, nicht aufrechtzuerhalten. Was auch an der Außenhandelspolitik lag - und an der fälligen Privatisierung der so genannten volkseigenen Industrie. Was sich bei Riesen wie Halles Waggonbau mit bis zu 4.500 Mitarbeitern als schwierig erwies - und nach der Übernahme durch den kanadischen Bombardier-Konzern gescheitert war.
Zur Bombardier-Zeit war der Hallenser Uwe Albrecht für diese Firma in Aachen und Wien tätig - doch als das Aus für den Standort Halle 2004 unabwendbar schien, habe er sich gesagt: „Du musst zurück!“ - obwohl ihn seine Westkollegen fragten, ob er denn verrückt geworden sei.
Doch Albrecht wollte in der Firma seines Lebens „retten, was noch zu retten war“, bevor das zuvor mit Unsummen aufwendig auf- und ausgebaute Firmengelände östlich der Bahnschienen womöglich hätte leerstehen oder gar renaturiert werden müssen.
Waggonbau Ammendorf: Heute Nummer Eins bei Unfallreparaturen
Zu retten war aber zunächst wenig - mit 20 Leuten habe er anfangs weitergemacht, erzählt Uwe Albrecht. Doch inzwischen hat sein neues Konzept so weit gegriffen, dass 200 Beschäftigte wieder an Waggons tätig sind - hauptsächlich freilich bei deren Reparatur. Ammendorf ist inzwischen die Nummer 1 in der Unfallreparatur von Eisenbahnwaggons - gelegentlich ist auch ein ICE darunter. Und einer der jüngsten Aufträge ist ein Servicewagen für das Münchner U-Bahn-Netz.
Doch mit und neben den Waggonbauern sind inzwischen auch etliche andere Firmen auf dem zum Industriepark gewordenen Gelände aktiv - 800 Beschäftigte (meist Industriearbeitsplätze!), nicht gerechnet jene Arbeitsplätze, die auf dem alten Gelände entlang der Merseburger Straße entstanden sind. Bei diesem Vergleich mit Ammendorf, wird sich selbst der berühmte Queiser Star-Park auf Dauer wohl noch strecken müssen.
Denn auch Ammendorf hat Wachstumspotenzial, was aber leider auch durch den inzwischen eklatanten hiesigen Facharbeitermangel begrenzt wird. Aber wer weiß: Vielleicht kommt ja doch mal wieder so ein junger Monteur, wie Uwe Albrecht einer war. (mz)