Weltgebetstag im Raum Halle Vorchristlicher Glaube: Schamanen und die Geister der Natur
Viele Hallenser sind heute konfessionslos. Doch woran haben die Menschen in Halle und Umgebung zu Urzeiten und vor der Ausbreitung des Christentums geglaubt?

Halle (Saale)/MZ. - Glauben oder Wissen? Zumindest was die Religionszugehörigkeit angeht, haben die Hallenser diesbezüglich eine klare Einstellung. So waren Ende 2023 ein Großteil der Einwohner der Saalestadt – nämlich 215.951 Personen – laut dem Fachbereich Einwohnerwesen konfessionslos. Weit abgeschlagen folgten mit 18.991 Einwohnern evangelische und schließlich, mit nur noch 8.806 Gläubigen, die katholischen Hallenser. (Andere Religionszugehörigkeiten als die christliche werden von der Stadt nicht erfasst.) Doch woran haben die Menschen im Raum Halle vor Einzug und Verbreitung des Christentums geglaubt? Anlässlich des Weltgebetstages haben wir nachgefragt.
Vorab: Das Wissen über vorgeschichtliche Religionen ist lückenhaft. Es sei allerdings davon auszugehen, dass bereits die Menschen der Altsteinzeit, so auch die Neandertaler, vor etwa 70.000 bis 80.000 Jahren, wahrscheinlich schon religiöse Vorstellungen und Glaube entwickelt haben, erklärt Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt. Ein Indiz dafür sei, dass die Toten schon damals bestattet wurden, man ihnen darüber hinaus Grabbeigaben beifügte.
„Schamanen waren die ersten religiösen Spezialisten.“
Dabei besaßen die Menschen, nicht nur in Halle und Umgebung, sondern vermutlich überall auf der Welt, ähnliche religiöse Vorstellungen: Der Glaube, dass die Dinge der Natur beseelt oder Wohnsitz von Geistern seien. Im sogenannten Animismus unterschied man nicht zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen oder Steinen. „Man betrachtete sich als Teil der Natur“, so der Wissenschaftler. „Wir gehen davon aus, dass das die älteste religiöse Vorstellung ist.“
Die längste Zeit gab es im Glauben keine Hierarchie. Doch das ändert sich, als ab etwa 20.000 v. Chr. weltweit der Schamanismus entstand. Während vorher jeder sein eigener Priester war, traten mit den Schamanen nun die ersten bekannten religiösen Spezialisten auf den Plan, erklärt Meller. Hervorgegangen sind diese und andere Spezialisierungen der Menschen aus der zunehmenden Sesshaftigkeit infolge der Veränderung des Klimas.
„Die Idee, dass es nur einen Gott gibt, ist verhältnismäßig jung“
Nun wendeten sich die Menschen mit den verschiedensten Anliegen an die Schamanen. Sei es mit der Bitte um Heilung, um mit Verstorbenen Kontakt aufzunehmen oder böse Geister zu bekämpfen. Als Vertreter ihrer Mitmenschen vermittelten sie zwischen den Sphären. Es wird angenommen, dass sich die Schamanen dazu im Rahmen von Ritualen in Ekstase tanzten bis sie der Ohnmacht nahe waren und im Zustand des Deliriums Visionen durchlebten. Ob dabei Drogen eine Rolle gespielt haben, wisse man nicht, so der Archäologe. Möglich sei das jedoch.
„Der einflussreichste Mensch der Umgebung, auch spirituell, war damals die Schamanin von Bad Dürrenberg.“ Die Tatsache, dass sie eine Frau war, spielte zu der Zeit keinerlei Rolle. Die Unterscheidung zwischen Mann und Frau entstand erst mit dem Ackerbau, so Meller. Als sie starb, kamen hunderte Menschen aus der Region zusammen, teilweise von weit her. Auch sechs Jahrhunderte nach ihrem Ableben haben die Menschen noch am Grab der Schamanin geopfert. Noch heute wird in Teilen Sibiriens ein Schamanismus gelebt, der dem von damals sehr ähnlich sei.

Später erst entsteht der Polytheismus, die Vielgötterei. Beispielhaft für die Region sind die germanischen religiösen Kulte und Riten. Ursprünglich eine Fruchtbarkeitsreligion, rücken später jedoch, beeinflusst von den Auseinandersetzungen mit den Römern, die kriegerischen Götter in den Vordergrund. Niedergeschrieben in der Edda, wurde die germanische Mythologie allerdings erst im elften oder zwölften Jahrhundert. Zuletzt entwickelt sich der Monotheismus. „Die Idee, dass es nur einen Gott gibt, ist verhältnismäßig jung“, so Harald Meller.