1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Vor allem Selbstständige sind in der Krise

Das Handwerk ächzt Vor allem Selbstständige sind in der Krise

Umsätze und Zahl der Beschäftigten sinken coronabedingt so stark wie noch nie. Vor allem Selbstständige sind in der Krise. Nur der Bau boomt.

Von Silvia Zöller 28.04.2021, 16:29
Geht trotz Corona weiter: Die Freyberg Brauerei am Böllberger Weg soll zu einem Wohnquartier um- und ausgebaut werden.
Geht trotz Corona weiter: Die Freyberg Brauerei am Böllberger Weg soll zu einem Wohnquartier um- und ausgebaut werden. (Foto: Steffen Schellhorn)

Halle (Saale) - So dramatische Einschnitte hat es nach Angaben der Handwerkskammer Halle noch nie in den letzten Jahren gegeben: Die Umsätze in den rund 13.000 Handwerksbetrieben im Gebiet der Handwerkskammer Halle sind um 26 Prozent zurückgegangen, parallel sank die Zahl der Beschäftigten so stark wie noch nie. Aktuell 3.500 Mitarbeiter weniger zählen die Handwerksbetriebe als im letzten Quartal 2020. „Die Gesamtheit der Belastungen aus staatlichen Eindämmungsmaßnahmen wächst stetig. Etliche Selbstständige wissen nicht, wie weiter, und denken vor diesem Hintergrund darüber nach, endgültig hinzuwerfen“, sagt Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle.

Wie schwierig die Arbeit für Handwerker derzeit ist, kann Kreishandwerksmeister Lothar Dieringer an vielen Beispielen aus seinem eigenen Heizungs- und Sanitär-Installationsbetrieb in Halle auflisten. Zwar sind bei ihm die Auftragsbücher voll, „doch teilweise gibt es Lieferzeiten von bis zu einem Jahr“, so Dieringer. Kunststoffbauteile, Dämmstoffe seien fast gar nicht mehr zu bekommen oder mit langen Wartezeiten und zudem zu stark erhöhten Preisen. Der Grund dafür laut Dieringer: Aufgrund der Hygienekonzepte arbeiten weniger Menschen an den Produktionsbändern, die produzierte Menge wird deutlich weniger.

„Wenn die Heizung oder das Wasser nicht funktioniert, verzichtet der Kunde ungern auf Handwerker“

Das nächste Problem kommt in den Handwerksbetrieben bei der Arbeit vor Ort hinzu. Abstands- und Hygieneregeln müssen eingehalten werden. Dieringer löste das, indem feste Teams mit zwei Mitarbeitern Aufträge arbeiten. „So müssen maximal diese beiden in Quarantäne“, erläutert er. Absagen von Kunden aus Angst vor einer Ansteckung durch die Handwerker gab es bei Dieringer bislang nicht. „Wenn die Heizung oder das Wasser nicht funktioniert, verzichtet der Kunde ungern auf Handwerker“, sagt er. Jedoch gebe es Absagen in allen Gewerken, deren Arbeiten nicht zwingend erforderlich sind wie Maler. „Es gibt aber kein Durchschnittsbild im Handwerk. Kosmetik-Betriebe gehen auf dem Zahnfleisch, Bauunternehmen können kaum Luft holen vor Aufträgen“, sagt Dieringer. „Ich befürchte ein weiteres Sterben von Betrieben“, so der Kreishandwerksmeister.

Kreishandwerksmeister Lothar Dieringer in seiner Firma in Halle.
Kreishandwerksmeister Lothar Dieringer in seiner Firma in Halle.
(Foto: Silvio Kison)

Jens Schumann, Sprecher der Handwerkskammer, kann die Liste weiter führen. „Bei den Gold- und Silberschmieden und Uhrmachern gibt es Umsatzeinbrüche im sehr großen Bereich. Die Kunden haben gerade anderes im Sinn, als hier einzukaufen. Es fehlen Hochzeiten, Jugendweihen und so weiter.“ Die Gastronomie leide darunter, dass es nicht einmal Feste wie Hochzeiten gibt, wo ein Catering gebraucht wird. „Das bringt Umsatzeinbrüche mit sich, die erheblich sind. Aber zum Teil nicht hoch genug, um an die Hilfsmaßnahmen zu kommen“, so Schumann. Auch bei Keramikern und anderen Handwerkern, die Umsatz überwiegend auf Märkten machen, sei der Umsatz faktisch weggebrochen. „Unverständlich ist auch, warum medizinische Fußpflege erlaubt sein soll, kosmetische aber nicht. Es ist der gleiche Fuß, der gleiche Abstand, die gleiche Hygienemaßnahme“, fragt sich Schumann. Viele Betriebe beklagen aber auch den organisatorischen Mehraufwand, etwa für die Beschaffung von Masken und Schnelltests.