Von Ernst Thälmann zu Karl Marx Von Ernst Thälmann zu Karl Marx: Sind diese Straßennamen aus der DDR noch zeitgemäß?
Halle (Saale) - Ist es noch zeitgemäß, Straßen nach dem Chef der KPD oder Helden der SED-Diktatur zu benennen? Der Berliner Historiker und DDR-Forscher und Historiker Klaus Schroeder findet nicht und fordert: weg mit Thälmann, Marx und Genossen aus den Stadtbildern.
Wenn es soweit kommt, kriegt Reinhard Ermisch die dritte Anschrift für dasselbe Haus. Der 67-Jährige hat schon einige Namenswechsel mitgemacht. Erst traf es seine Straße, dann seinen Heimatort und später sogar seinen eigenen Supermarkt. Aber wenn’s sein muss, sagt er: einmal geht noch.
Aus Adolf-Hitler-Straße wurde Karl-Marx-Straße
Als Reinhard Ermisch geboren wurde, war die Adolf-Hitler-Straße gerade erst zur Karl-Marx-Straße umbenannt worden. Hinterm Knick am Friedhof endete sie und führte Autofahrer den Rest des Weges als Ernst-Thälmann-Straße Richtung Werderthau. Jahrzehntelang wurde Marx zu Thälmann. In der einen Straße war Ermisch zu Hause, in der anderen hatte er seinen Supermarkt. Bis heute stehen sein Haus und der Laden an gleicher Stelle, allerdings stehen sie nun beide in der Karl-Marx-Straße.
„2010, als Ostrau zu Petersberg eingemeindet wurde, musste die Thälmann-Straße gestrichen werden, weil es anderswo schon eine gab“, so der 67-Jährige. Also wurde kurzerhand die Karl-Marx-Straße etwas verlängert und Ernst Thälmann fiel der Bürokratie zum Opfer. Weil nun aber mehr Häuser als zuvor in der neuen langen Straße standen, mussten neue Hausnummern her. Statt in der 29 stand der Supermarkt ab dem ersten Januar 2010 also in der 21. Und Ostrau hieß plötzlich nicht mehr Ostrau, sondern Großgemeinde Petersberg, Ortsteil Ostrau. Daran hat womöglich auch Reinhard Ermisch einen Anteil.
Gemeinderatsmitglied: „Ursprünglich sollte die Gemeinde erst Götschetal heißen“
„Ursprünglich sollte die Gemeinde erst Götschetal heißen“, erzählt das ehemalige Gemeinderatsmitglied. Die Götsche ist ein kleiner Bach in der Gegend. Ihren Namen mit dem Zusatz „Petersberg“ trug zuvor schon die Verwaltungsgemeinschaft. „Ich bin damals in der Sitzung aufgestanden und habe gesagt, es wäre besser, den Petersberg als Namensgeber auszuwählen. Der Berg steht hier und ist von allen Himmelsrichtungen aus gut zu sehen“.
So kam es. Petersberg wurde Petersberg. Als alle Änderungen schließlich umgesetzt waren, fing der Schlamassel an: Jeder Ostrauer musste seinen Personalausweis ändern, alle Versicherungen sowie die Bank anrufen und seine Post im Dorf einsammeln – „was das für einen Rattenschwanz nach sich gezogen hat“, sagt Ermisch heute. „Es hat zwei Jahre gedauert bis alle Briefe ihren Weg fanden“, erzählt Ermisch.
Umbenennung von Straßen: Aus Gewohnheit, nicht aus Nostalgie
Kurz nach der Umbenennung sei natürlich viel weggekommen. Ihm selbst rutscht bis heute manchmal seine alte Thälmann-Adresse über die Lippen. Aus Gewohnheit, nicht aus Nostalgie.
Wenn die Politik entschiede, Marx von Schildern zu tilgen, würde er persönlich trotz der Ärgernisse eine neue Adresse in Kauf nehmen. Nicht, weil ihm der kommunistische Anstrich des jetzigen Namens widerstrebt. Der ist ihm egal. Am Ende, befürchtet er, gibt es immer welche, die die kommunistische Vergangenheit des Landes streichen und andere, die Erinnerung daran aufrechterhalten wollen.
„Karl-Marx hat nichts mit Ostrau zu tun, er war nie hier.“
Er würde Marx aus einem anderen Grund tilgen: „Karl-Marx hat nichts mit Ostrau zu tun, er war nie hier.“ Man könne sich als Anwohner kein bisschen damit identifizieren. „Mir wäre wichtiger, dass die Straßennamen einen Bezug zum Ort haben“, sagt er. So wie bei der ehemaligen Lenin-Straße. Die ist seit den 90er Jahren nach dem Ostrauer Maler Carl Adolf Senff benannt. Und zum Schloss in Ostrau führte kurz nach der Wende die Schlossstraße und nicht mehr die Rosa-Luxemburg-Straße. Beide sind schon in den 90er von den Schildern radiert worden.
Der neue Name für die Karl-Marx-Straße könnte etwa Von-Veltheim-Straße sein. „Hans Hasso von Veltheim hat bis in die 1930er Jahre das Schloss auf Vordermann gebracht.“ Vor Jahren traf Ermisch übrigens noch ein ganz eigener Namensstreit: Als der Edeka-Konzern vor Jahren Ermischs Laden in „nah und gut“-Markt umbenennen wollte, hat er widersprochen. Das „E“ wollte er behalten, der Konzern lenkte ein. Heute ist er der einzige, der in Sachsen-Anhalt noch den Namen „Edeka aktiv Markt“ verwenden darf. (mz)