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Versklavtes Mädchen aus Bosnien Versklavtes Mädchen aus Bosnien: Bettinas Retter droht Abschiebung

Von Kartin Löwe 24.02.2016, 16:43
Die Angeklagte Christine M. wird von Justizbeamten in den Saal des Landgerichts in Halle geführt.
Die Angeklagte Christine M. wird von Justizbeamten in den Saal des Landgerichts in Halle geführt. dpa-Zentralbild

München/Halle (Saale) - Als die Nachricht von der mutmaßlich acht Jahre lang in Bosnien versklavten Bettina 2012 durch die Medien ging, war er ein gefragter Mann. Er war der Nachbar, der maßgeblich zur Befreiung des aus Sachsen-Anhalt stammenden Mädchens beigetragen hat. TV-Sendern hielt  Cazim Sead Makalic ein Foto von Bettina in die Kameras, erzählte die Geschichte, wie er die Polizei über ihr Schicksal informiert hat. In Zeitungen wurde er immer wieder zitiert. Makalic wurde als Retter gefeiert - und hofft nun selbst auf Hilfe. Dem inzwischen nach Deutschland geflohenen Bosnier und seiner Familie droht Medienberichten zufolge gerade die Abschiebung.

Drohungen im Heimatland

Sein Münchner Anwalt Ismet Mujakic kämpft dafür, dass die derzeit in Bayern lebende Familie vorerst bleiben darf. Makalic und seine Angehörigen seien in Bosnien von der Familie bedroht worden, bei der Bettina lebte, berichtet der Anwalt. Es sollen massive Drohungen gewesen sein, per Telefon, SMS, auf große Metallschilder geschrieben. Als versucht worden sei, einen Auftragskiller auf Makalic anzusetzen, sei die Familie 2014 nach Deutschland geflohen. Der Stiefvater von Bettina war zwischenzeitlich wegen Misshandlung zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.

Der Asylantrag der Familie Makalic wurde nach Angaben des Anwalts im Januar abgelehnt. Bosnien gilt als sicheres Herkunftsland, einen Asylgrund gibt es nicht. „Den Fall, dass jemand ein Bleiberecht beanspruchen könnte, der einem Deutschen im Ausland hilft, sieht das Recht nicht vor“, sagt Anwalt Mujakic der MZ. Mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Augsburg sei er gescheitert, Petitionen an den bayrischen Landtag und den Bundestag sind noch nicht bearbeitet. Nun läuft der bosnischen Familie die Zeit weg. Die Petitionen haben keine aufschiebende Wirkung. Die Makalics wollten kein dauerhaftes Bleiberecht, sagt der Rechtsanwalt - sie würden nur bleiben wollen, bis die Behandlung ihres Sohnes abgeschlossen ist.

Mit Angstattacken in Klinik

Der Zehnjährige leide unter Angststörungen wegen der Bedrohungen, sei seit 2014 in Behandlung, seit Dezember 2015 stationär in einer Klinik. Die Eltern leben in einer Flüchtlingsunterkunft. Dass die bosnische Polizei sie schützt, darauf vertraue die Familie nicht. Aber: „Wenn der Sohn wieder gesund ist, würde sie langfristig das Risiko auf sich nehmen, nach Bosnien zurückzukehren.“ Ein Amtsarzt der Ausländerbehörde halte das Kind trotz gegenteiliger Ansicht der Fachärzte für reisefähig, so der Anwalt. Die Mutter des Jungen wird nun im bayrischen Fernsehen zitiert: „Mein Mann hat ein Kind gerettet. Jetzt hoffen wir, dass unser Kind gerettet wird.“

Etwas Luft könnte der Familie der Prozess gegen Bettinas Mutter verschaffen, der derzeit am Landgericht Halle läuft. Der Frau, die ihr Kind selbst nach Bosnien zu ihrem zweiten Mann gebracht hatte, wird Misshandlung und Körperverletzung durch Unterlassen vorgeworfen. Sie soll jahrelang ignoriert haben, dass Bettina misshandelt, als Arbeitskraft missbraucht wurde, kaum Essen erhielt (die MZ berichtete). Bei der Befreiung wog die damals 19-Jährige nur 40 Kilo.

Makalic kann und soll voraussichtlich im Prozess aussagen. Laut Gericht steht er bislang allerdings noch nicht auf der Liste der geladenen Zeugen. Sein Anwalt hat dennoch die Hoffnung, dass die Familie bis zum Prozessende nicht abgeschoben wird - und bis dahin vielleicht die Politik reagiert hat. (mz)