Verseuchtes Denkmal in Halle Verseuchtes Denkmal in Halle: DDR-Holzschutzmittel stoppt Sanierung

Halle (Saale) - Eine junge Familie mit drei Kindern möchte das denkmalgeschützte Haus Alter Markt 31 mitten in Halles Innenstadt sanieren. Das wertvolle, prächtige Fachwerkhaus wurde um das Jahr 1600 herum erbaut. Während der ersten Aufräumarbeiten im Innern kam hinter hässlicher Verkleidung sogar eine Renaissance-Bohlenstube zum Vorschein. Was für ein Wohnzimmer! So wunderbar hat diese Geschichte begonnen - vor mehr als drei Jahren.
Heute jedoch lesen Passanten in den zugenagelten Fenstern im Haus Alter Mark 31 auf Plakaten, die von einigem Frust zeugen: „Der Verfall dieses Denkmals erfolgt mit freundlicher Unterstützung des Denkmalamtes.“ Hintergrund dieser Plakataktion ist eine Debatte zwischen den Hauseigentümern und den Denkmalschutzbehörden.
Dachstuhl ist verseucht
Denn in den Traum vom wiederbelebten, eigenen Denkmal-Heim in Halles Innenstadt ist ein Schild geplatzt: „Hylotox 59“ stand darauf. Till Hartmann, der mit seiner Frau Anne Reif und den drei Kindern das Haus Markt 31 ausbauen und beziehen will, hat es an einem Balken im Dachstuhl gefunden. Hylotox war ein heute berüchtigtes DDR-Holzschutzmittel. In Westeuropa schon lange wegen des gesundheitsschädigenden Insektizids DDT verboten, wurde es hierzulande noch in den 1980er Jahren eifrig auf Holzbalken geschmiert. Ein im Auftrag gegebenes Gutachten erbrachte im Sommer 2012 denn auch ein niederschmetterndes Ergebnis: „Die Grenzwerte werden um 1000 Prozent überschritten. Niemand darf sich dort aufhalten“, erzählt Till Hartmann. Es gebe zwar Methoden zu Minimierung der Schadstoffbelastung wie etwa eine Beschichtung der Balken. Aber das reiche bei dieser Belastung eben nicht aus, sagt Anne Reif. „Wir sind beide Mediziner. Und wir werden unsere Kinder dieser Gefährdung natürlich nicht aussetzen.“ Die Großfamilie aber benötigte das Dachgeschoss. Die einzige mögliche Lösung sahen die Hauseigentümer und künftigen Bewohner deshalb im Abriss des verseuchten Gebälks.
Doch genau an dieser Stelle geriet das innerstädtische Sanierungsprojekt ins Stocken. Denn einen 400 Jahre alten Dachstuhl wegzureißen, ist, und zwar ganz zu Recht, laut Denkmalschutzgesetz eine schwierige Sache. Der Gesundheitsschutz der Bewohner ist dabei nur ein Aspekt.
Informationen zur Stellungnahme des Denkmalschutzes lesen Sie auf Seite 2.
Das herbeigerufene Landesamt für Denkmalschutz gab nach Besichtigung und Prüfung im Dezember 2012 dann auch eine entsprechende Stellungnahme ab. „Aufgrund der besonderen Bedeutung dieses Hauses am Alten Markt können wir einen Abbruch des Dachstuhls nicht unterstützen“, schrieb damals die für Halle zuständige Referatsleiterin Sabine Meinel. Sie habe, darauf wies sie ausdrücklich hin, indes nur die denkmalfachliche Sicht zu bewerten. Meinel informierte die Eigentümer zudem über das sogenannte „Freiburger Modell“. Dabei wurde ein ebenfalls mit Holzschutzmittel verseuchter, historischer Dachstuhl eines öffentlichen Gebäudes abgebaut, in einer Halle mit Trockeneis behandelt und wieder aufgebaut - nach vier Jahren. Man könne dafür sicher Fördermittel beantragen, hieß es. „Da haben wir uns veralbert gefühlt“, sagt Anne Reif.
Nun begann ein langer Gang durch die Baubehörde der Stadt, die letztlich über den Bauantrag zu entscheiden hat. Geführt wurde die Debatte vor allem vom beauftragten Architekten, später auch einem Anwalt und den eigentlichen Hauseigentümern aus Trier. Gekauft hatten das Haus nämlich die Eltern von Anne Reif.
Bauanträge waren unvollständig
Insgesamt wurden drei Bauanträge eingereicht, zwischen Mai 2013 und Februar 2014. Ziel war stets der Abbruch und Neubau des Daches. Die Anträge waren indes nicht korrekt. Wesentliche vom Gesetzgeber geforderte Unterlagen fehlten. Die Antragsteller hingegen sprachen von Schikane.
„Erst im Februar 2014 war eine abschließende Prüfung und Interessenabwägung im Sinne des Bauherrn möglich“, sagt ein Stadtsprecher. Und es wurde abgewogen. Im April beziehungsweise Mai teilte die Stadt mit, dass der Dachstuhl doch abgerissen werden dürfe. Nach einer genauen Dokumentation könne er nach historischem Vorbild mit neuen Hölzern wieder aufgebaut werden. An dieser Stelle aber brach jedoch die Kommunikation ab. „Eine Dokumentation hätten wir noch akzeptiert, aber eine detailgetreue Rekonstruktion eines Dachstuhls des 16. Jahrhunderts, das hätte Zeit- und Kostenrahmen gesprengt.“. Doch anders als die Eigentümer vermuten, teilt die Bauverwaltung auf Nachfrage mit, bedeute diese Formulierung gar nicht die genaue Kopie des historischen Gebälks.
Ende Mai wurde der Bauantrag zurückgezogen. Nach mehr als zwei Jahren habe man jedes Vertrauen in den Denkmalschutz verloren, so Hauseigentümer Emil Reif. Man habe bisher 40 000 Euro investiert, ohne das irgendetwas etwas passiert sei. Er habe die Lust verloren. „Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was alles mit der Bohlenstube passiert.“

