1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Vernissage in Halle: Vernissage in Halle: Die Kunst der laufenden Nase

Vernissage in Halle Vernissage in Halle: Die Kunst der laufenden Nase

Von Detlef Färber 24.02.2015, 20:59
Dieses Bild ohne Titel ist das Hauptwerk der Schau von Thomas Blase.
Dieses Bild ohne Titel ist das Hauptwerk der Schau von Thomas Blase.  Repros: Günter Bauer Lizenz

Halle - Vor allem als wenig begabter Heimwerker kennt man dieses Phänomen: Der Pinsel ist neu, der Untergrund perfekt und die Farbe war teuer - doch das Weiß oder Bunt auf dem Fleck, den man eben glücklich bestrichen hat, will partout nicht dort bleiben, wo man es haben will. Stattdessen ergibt sich die Farbe willenlos der Erdanziehungskraft und fließt unbekümmert nach unten. Fließt wie der laufende Rotz aus eines Kindes Nase - als lange Farbnase.

Doch solche Farbnasen können auch Kunst sein, klar. So wie jetzt auf vielen der Bilder des halleschen Künstlers Thomas Blase, die in der neuen Ausstellung der Zeitkunstgalerie zu sehen sind. Denn alles, was mit Farbe zu tun hat - auch Farbnasen - sind natürlich potenzielle stilistische Ausdrucksmittel oder Formen-Elemente für Maler, zumal wenn sie zu den Abstrakt-Artisten gehören. Freilich sind jene Tropfenbahnen, die ja auch den Verdacht, Zufälle zu sein, erregen, ein äußerst provokantes Stück Formensprache. Sind sie doch zuweilen Auslöser des berüchtigten „Das kann ich auch“-Satzes seitens etlicher Laienbetrachter.

Dabei ist doch weniges in der Kunst so gut, ja leidenschaftlich begründbar wie gerade der wilde, ungebremste und auf die Leinwand oder sonstige Untergründe sich ergießende Tropfenfluss - sinnbildlich natürlich auch für all die Naturgewalten außerhalb und innerhalb des Menschlichen, für all die Lebens- und Liebessäfte. Und nicht zuletzt für all die Tränen, die, erst leise rinnend, sich zu ganzen Ozeanen des Jammers verdichten können. Und in die einzutauchen Reinigung oder gar Erlösung verspricht - und sei’s auch im Maul eines Hais, der urplötzlich auftaucht und ... pardon ..., wo waren wir stehengeblieben?

Ach, ja bei abstrakter Kunst, die noch dazu ohne Bild-Titel auskommt. Erster Gedanke des Betrachters: Oh je, jetzt brauch ich mal wieder verdammt viel Fantasie. Und sein zweiter Gedanke: Gut, dass ich jetzt wirklich mal denken kann, was ich will.

Was besagte laufende Farbnasen angeht, so könnten sie beim näheren Hinsehen auch Fäden, Verbindungsstränge oder gar Verdrahtungen sein - nicht immer voll angeschlossen, aber spürbar wirksam als Träger von Information oder Energie. Oder als Fäden, an denen - etwa beim Bild (r.), das auch Plakatmotiv der Schau ist, eine abstrakte Figur hängt. Und an denen die Figur sich von einer höheren oder geheimen Instanz wie von einem Puppenspieler führen (oder gängeln) lässt. Oder führen lassen muss - ohne es zu ahnen.

Doch natürlich ist derlei Deutung, zu der abstrakte Kunst wie keine Kunst sonst Raum lässt, vermutlich eine Unterstellung - dem gegenüber, was eine nicht sprachliche, sondern rein gedankliche, farb-, form- und strukturartige Darstellung angeregt haben könnte. In seiner Rede bei der Vernissage für Thomas Blase hat der Malerphilosoph Rüdiger Giebler dieses Fazit gezogen: „Es geht um eins: Die unbegreifliche Realität zu fangen.“ Und er bescheinigt Blase, dass er als Fänger erfolgreich sei - dank „eines höchst gefühlvollen Empfindens der Welt gegenüber“.

Eine Assoziation, die Blases Nasen noch zulassen, heißt Wundertüten: Jene Gebilde nämlich, die an den Nasen dran zu hängen scheinen. Sie machen neugierig. Ziehen rein ins Bild. Mit derlei kann abstrakte Kunst - auch - Spaß machen.

Wenn man’s mal laufen lässt. (mz)

Ausstellung in der Kleinen Marktstraße 4 - geöffnet dienstags bis freitags ab 11 Uhr, samstags ab 10 Uhr.

Schöne der Nacht? - Leider ohne Titel
Schöne der Nacht? - Leider ohne Titel
  Repros: Günter Bauer Lizenz