Verletzungen, Verköstigungen und eine Reifenpanne Verletzungen, Verköstigungen und eine Reifenpanne: Auf Auswärtsfahrt mit den Handballern des USV Halle

Halle (Saale)/Gelnhausen - Die Auswärtsfahrt mit den Handballern des USV Halle beginnt für MZ-Redakteur Enrico Werner am Samstagmittag um 12.30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht, dass er erst 20 Stunden später wieder halleschen Boden betreten wird.
Samstag, 12:30 Uhr: Die Spieler der Drittliga-Handballer vom USV Halle steigen pünktlich in den Bus. „Wir fahren jetzt nach Gelnhausen, ja?“ Busfahrer Ralf erkundigt sich nach dem richtigen Reiseziel, dann geht die 350 Kilometer lange Tour zum Auswärtsspiel beim TV Gelnhausen los. Kissen und Tablets sind die wichtigsten Utensilien zur Überbrückung der vielen Stunden. Vor allem die Kissen werden eine wichtige Rolle spielen. Während der Fahrt wird auch in Zeitungen und Zeitschriften gelesen. Aber auch ein Bierkasten ist mit an Bord. Für die Rückfahrt. Rückraumspieler Maximilian Haase betätigt sich als Herr der DVDs. Einer Horrorkomödie über Zombies folgt eine Highschool-Komödie. Rechtsaußen Chris Heyer schnappt sich Kissen und Decke und legt sich zwischen die Sitzreihen zum Schlafen. Die blauen Gardinen im Bus werden Stück für Stück zugezogen. Bedächtige Ruhe und Anspannung kehrt ein.
15 Uhr: Mittag: Seit dem Aufstieg im Sommer haben die USV-Handballer eine Catering-Firma, die die Verköstigung der Spieler übernimmt. Edelfan Christa (76), die seit 19 Jahren bei Auswärtsspielen mitfährt, ist damit entlastet. Sie hatte vorher mit Brötchen und Kuchen die Verpflegung übernommen. Kaffee und Tee steuert sie trotzdem bei. „Die Jungs nennen mich nur Muttern“, sagt sie. An diesem Samstag gibt es Schweinefleisch mit Kartoffeln und Mischgemüse. „Hat’s geschmeckt?“ Christa erkundigt sich nach dem Wohlbefinden. Wohlwollendes Nicken überall.
16 Uhr: Kaffeepause: Streuselkuchen, Früchtetee und Kaffee steht auf dem Plan. Danach im Bus beginnen die letzten mentalen Vorbereitungen auf das Spiel. Helmut Feger und Philipp Zimmer, die Torhüter, schauen sich auf ihren Tablets Szenen aus den letzten Spielen von Gelnhausen an. Auch Trainer Fabian Metzner ist ins Videostudium vertieft. Immer wieder greift er nach einem Zettel. Er notiert sich Sachen, überlegt, was er wie anders machen kann, damit es was wird mit dem ersten Auswärtssieg.
17:30 Uhr: Ankunft: Der Bus rollt herein im Kleinstädtchen Gelnhausen. Bei den zahlreichen schicken weißen Reihenräuschen im Ort werden schon die Rollladen heruntergelassen, während der Bus von Vetter-Touristik sich einen Parkplatz sucht. Auf der anderen Straßenseite liegt in völliger Dunkelheit, aber innendrin hell erleuchtet, die Großsporthalle der Realschule Gelnhausen. Noch ist es leer. Am Ende werden es 485 Zuschauer sein. Davon fünf aus Halle. Die mitgefahrenen Fans freuen sich. Fünf quadratische lilafarbene Eintrittskarten liegen für die Gästefans bereit. Die Eltern von Maximilian Gruszka kommen an. Sie sind mit dem Auto hinterher gefahren. Es wird sich als kleiner Glücksgriff erweisen für den Linksaußen. Die Spieler machen - wie immer - noch einen halbstündigen Spaziergang durch den Ort. Beine entspannen, Muskeln lockern, runter kommen, Konzentration hochfahren. Das sind die Ziele.
19:30 Uhr: Eben hat der Hallensprecher die Gäste fälschlicherweise als Sachsen eingestuft. Die mitgereisten Fans kichern. Das wäre nicht zum ersten Mal passiert. Die Ost-Staffel in Liga drei ist eben eher eine Süd-West-Staffel. USV? Halle? Das sind eher unbekannte Begriffe auf halber Strecke zwischen Frankfurt (Main) und Fulda. Die Musik ballert aus den Boxen. Papa Roach, die Foo Fighters und die Red Hot Chili Peppers sorgen für die Einstimmung in der jetzt gut gefüllten Halle. Das Spiel beginnt. In der 29. Minute muss Maximilian Gruszka humpelnd vom Feld. Ronny Voigt meint: „Das Kreuzband dürfte durch sein.“ Gruszka selbst hat auch kein gutes Gefühl. „Es hat geknackst“, meint er nur. Seine Mutter flitzt in der Halle herum, kümmert sich um ihren Sohn. Ein Krankenwagen fährt vor. Gruszka, der am Montag 20 Jahre alt geworden ist, wird im Krankenhaus untersucht. Während der dramatischen Szenen hält der USV aber gut mit. In der 43. Minute gleicht Jan Bernhardt zum 25:25 aus. Die Punkte sind greifbar. Danach geht nicht mehr viel. Am Ende verliert Halle mit 32:39. Es war die sechste Auswärtspleite im sechsten Gastspiel. „Es wird besser. Aber das war ärgerlich“, meint Haase. Trainer Metzner: „Wir sind in alte Muster verfallen.“ Er will sich die Abwehrarbeit noch mal anschauen, sie war nicht ideal. Die Torhüter hatten nicht ihren besten Tag.
22 Uhr: Die Spieler marschieren einzeln in den Bus. Trainer Metzner hat eine gute Nachricht: Gruszkas Kreuzband ist heil geblieben. Ein MRT soll die Woche folgen. Meniskus oder Außenband könnten gerissen sein. Im besten Fall ist es nur eine Prellung oder Verstauchung. Fakt ist: Gruszka wird in diesem Jahr kein Spiel mehr machen. Am Samstagabend fährt er mit seinen Eltern im Auto zurück nach Halle.
22:30 Uhr: Der Bus hält auf einem Autobahn-Parkplatz, 25 Kilometer von Fulda entfernt. „Der Bus hat gerüttelt“, meint der Busfahrer. Er steigt aus, guckt. Der vordere rechte Reifen ist platt. Wie das passiert ist? Das weiß er nicht so genau. Der ADAC für Busse wird gerufen. Dieser stellt fest, dass auch der hintere rechte Reifen kaputt ist. Der erste Reifen vorne wird gewechselt. Die Spieler witzeln noch herum. Es wird gespielt, es werden lustige Videos angeschaut. Ein paar Bier gehen herum. Schnell ist der eine Kasten leer. „Wollen wir beim Busfahrer eine Kiste abkaufen?“, fragt einer. Ein anderer ärgert sich, dass es nicht mal ein McDonald‘s in der Nähe gibt. Nur ein Toilettenhäuschen, einen Mülleimer, eine hell erleuchtete Stadt im Tal. Draußen kommt ein Schneesturm auf, die Temperaturen sacken in den Keller.
1:30 Uhr: Metzner hat mit dem Busfahrer gesprochen. Die schlimme Nachricht: Es soll anderthalb Stunden dauern bis der zweite Reifen geholt ist. Daumen drücken, dass es der richtige Reifen ist. Ist er es nicht, muss ein anderer Reifen von einem anderen Bus abmontiert werden. Auch der Busfahrer ist mittlerweile geknickt. „Saufen kann ich ja nicht“, sagt er nur. Stattdessen trinkt er immer wieder Kaffee, um wach zu bleiben.
4:19 Uhr: Metzner: „Der Reifen wird jetzt montiert.“ Das soll eine Stunde dauern. Ja, der Reifen passt. Währenddessen ist im Bus alles im Tiefschlaf versunken. Kein Grummeln über die Situation. Eine Komödie mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle läuft zum zweiten Mal über die drei mittig postierten Monitore. Keiner schaut mehr hin. Irgendwann schalten sich die Geräte aus, danach ist völlige Ruhe im Bus, der im Leerlauf - hell beleuchtet - vor sich hintuckert.
5:04 Uhr: Rückraumspieler Landry Traineau hebt kurz den Kopf. „Wirklich? Geht es weiter?“ Ja, es geht weiter. Der Bus setzt sich in Bewegung. Nach sechseinhalb Stunden Stillstand. Traineau legt sich wieder hin. Auch Trainer Fabian Metzner schafft es jetzt, zwei bis drei Stunden zu schlafen. „Vorher ging das nicht.“ Die Sorge ging bei ihm herum. „Es hätte ja noch schlimmer kommen können. Dann wären wir erst mittags dagewesen.“
8:30 Uhr: Es ist mittlerweile hell. Der Bus fährt in Halle-Neustadt ein. An der letzten Ampel hält der Busfahrer eine kleine Ansprache. Er sagt, dass das in der Firma nicht üblich wäre, es tue ihm leid. „Aber so etwas passiert eben manchmal.“ Jubel bei den Spielern. Es wird geklatscht. Erinnerungen an Passagiere in gelandeten Flugzeugen werden wach. Vorn ruft einer: „Wir haben es überlebt.“ „Einen schönen Restsonntag noch“, wünscht der Busfahrer. Ein paar Stunden ausruhen am Sonntag stehen an. Dann geht die neue Woche für die Freizeithandballer los. Eine Truppe von Anlagenmechanikern, Konstruktionsmechanikern, Studenten, Kommissaranwärtern und Industriekaufmännern beschäftigt sich dann mit anderen Dingen außer Handball. Am Samstag gibt es dann zum Glück eine sehr kurze Anreise. Dann kommt die SG LVB Leipzig zum mitteldeutschen Derby in die Sporthalle am Bildungszentrum.
(mz)





