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Union Halle-Neustadt Union Halle-Neustadt: Wie Viktoria Divak ihr neues Team erlebt

Von Ekaterina Vinogradova 01.09.2018, 09:53
Halles neue Rückraum-Spielerin Viktoria Divak.
Halles neue Rückraum-Spielerin Viktoria Divak. Eckehard Schulz

Halle (Saale) - Die junge Frau kommt ins verabredete Innenstadt-Café und sieht aus wie ein Supermodel: 1,75 Meter, zierliche Figur, elegante Maniküre, lange glänzende Haare und stark geschminkte dunkle Augen. Viktoria Divak fällt auf - vor allem aber auf dem Handball-Parkett. Die 25-Jährige ist die neue Rückraumschützin der Wildcats. Seit einem Monat lebt sie in Halle - mit der Absicht, der Handball-Mannschaft in der ersten Liga gewinnen zu helfen.

Ihre ersten Eindrücke sind verblüffend: „Deutscher Handball ist ein bisschen Rugby ähnlich, ganz brutal“, sagt Divak lächelnd. Zuletzt spielte sie im französischen Achenheim, davor für die russischen Klubs Kuban Krasnodar und Dynamo Wolgograd. Offenbar wurde dort nicht so ruppig gespielt.

In Wolgograd begann ihre Sportkarriere im Alter von zwölf Jahren. Zuvor war sie Gymnastin, doch das langweilte sie. Als ihr ein Handball-Trainer vorschlug, die Sportart zu wechseln, war sie schnell begeistert. „Zuerst wusste ich überhaupt nicht, was auf mich zukommt, wollte einfach Spaß haben. Als ich dann beim ersten Turnier das Schild ,Handball‘ sah, verstand ich, womit ich mich gerade beschäftige“, erinnert sich Divak mit einem Lachen. Aus dem Spaß wurde Ernst. Und Viktoria Divak entwickelte sich zu einer der besten Spielerinnen in der ersten russischen Liga.

Welche Rolle Trainerin Tanja Logvin für Viktoria Divak spiel

Zugleich träumte sie davon, die große Handball-Welt kennenzulernen. Ihr Traum ging in Erfüllung - mit Hilfe von Tanja Logvin. Die Trainerin der Wildcats war früher Sportagentin. Sie vermittelte Viktoria Divak nach Frankreich. Eine krasse Umstellung, und keine leichte.

„In den ersten zwei Monaten wollte sie den Job an den Nagel hängen und nach Hause zurückkehren“, erzählt die Trainerin. Das Heimweh verging. „Ein halbes Jahr später fragte Viktoria, ob sie länger bleiben kann.“ Im Sommer folgte die Spielerin dem Angebot aus Halle. Als Inspiration half die Auslands-Erfahrung ihres Vaters: Der hatte als russischer Fußballer jahrelang in Finnland gespielt.

Viktoria Divak: „In Russland macht Sport fast keinen Spaß“

Inzwischen kann Viktoria Divak die unterschiedlichen Handball-Stile vergleichen. In jedem Land gebe es Besonderheiten. In Deutschland stehe das Abwehrspiel im Vordergrund, in Frankreich die Taktik, und in Russland wird Wert auf Kreativität gelegt.

Und auch, wie der Sport in Deutschland gelebt wird, überraschte sie. Vor allem, dass einige Mitspielerinnen nicht einmal Vollprofis sind und nach dem morgendlichen Training ins Büro gehen. „In Europa ist der Sport ein hoch bezahltes angenehmes Hobby“, sagt Divak. In Russland das Gegenteil.

Da ist Sport ein schwerer Beruf, eine abgesonderte Welt, in der Trainer eiserne Disziplin einfordern - und klaglos bekommen. „In Russland macht Sport fast keinen Spaß. Und wenn die Karriere zu Ende ist, wird man einfach weggeschmissen - ohne Arbeit und Unterstützung“, erzählt Divak. Sie selbst hat mit einer wirtschaftlichen Ausbildung an der Universität in Wolgograd für die Zeit nach der Karriere vorgesorgt.

Divak lebt in einer WG mit ihrer Teamkollegin Ekaterina Fanina

Zwei bis drei Jahre möchte die 25-Jährige noch Handball spielen und dann eine Familie gründen. Wo, das ist offen. „Ich liebe Russland, das ist meine Heimat, aber ich weiß noch nicht, ob ich nach dem Karriere-Ende zurückgehe. Europa fasziniert mich“, sagt sie.

Derzeit ist sie dabei, sich in ihrer neuen Heimat zurecht zu finden. Viktoria Divak lebt in Halle-Neustadt mit Ekaterina Fanina, der zweiten russischen Spielerin der Wildcats, zusammen in einer Wohnung. Und sie fühlt sich wohl. Ihre große Leidenschaft ist es, zu kochen - am liebsten russische Spezialitäten. „Es ist sehr einfach, zum Beispiel die Zuckerrübe, ohne die die Borschtsch-Suppe unvorstellbar ist, in Halle zu finden“, erzählt Divak.

Russisches Essen ist ein wirksames Mittel gegen Heimweh. Denn Divak hat in Halle eine Sprachbarriere. Sie beherrscht keine Fremdsprache, auch kein Englisch. Deshalb besucht Divak nun einen Deutschkurs. Doch ein Kommunikationsproblem zwischen deutschen, russischen, polnischen und portugiesischen Spielerinnen bei den Wildcats sieht sie nicht. „Am Wichtigsten ist die Willenskraft, ein gemeinsames Ziel zu erreichen: zu gewinnen“, sagt Viktoria Divak.

„Die Wildcats müssen um jeden Preis die Klasse halten. Dafür bin ich da“

Willenskraft verlangt auch gerade der anstrengende Trainingsplan. „Zwei Trainings pro Tag, zahlreiche Testspiele in der Vorbereitung - das kostet mich viel Kraft“, erzählt Divak. Doch ihre Trainerin verlangt von ihr sogar mehr als von anderen Spielerinnen. Mit einer interessanten Begründung: „Wenn du aus dem Ausland kommst, musst du jede Sekunde bestätigen, dass du einen Kopf größer als die lokalen Spieler, also besser bist. Ansonsten fressen sie dich“, so Logvin.

Viktoria Divak ist bereit, diese Herausforderung anzunehmen. Die Rückraumschützin vertraut auf ihre Stärken: Schnelligkeit, Dynamik und List. „Ich verfüge über keine große Masse, deswegen versuche ich meistens, den Gegner zu umspielen“, so Divak. Und sie ist gespannt auf den Beginn der Bundesliga. „Die Wildcats müssen um jeden Preis die Klasse halten. Dafür bin ich da“, so Divak.

››Die Wildcats spielen am Samstag beim Viertligisten BFC Preussen Berlin im DHB-Pokal.

(mz)