Uniklinik Halle Uniklinik Halle: Gutachter fordern harte Einschnitte

Halle/MZ - Die medizinische Fakultät an der Uniklinik Halle schließen? Als Außenstandort Magdeburg zuschlagen? Oder in eine kleinere „Fakultät für Gesundheitswissenschaften“ umwandeln? Solche Struktur-Spirenzchen lehnt der Wissenschaftsrat zwar ab. Im Entwurf seiner Stellungnahme zur Entwicklung der Uniklinik heißt es sogar: „Der Wissenschaftsrat spricht sich vielmehr für den Erhalt des klinisch-medizinischen Standortes in Halle aus.“ Es ist aber nur die erste Hälfte des Satzes, dann folgt ein „empfiehlt aber“: Und das Gremium formuliert eine umfangreiche Umstrukturierung mit der Konzentration auf einen Forschungsschwerpunkt und dem faktischen Wegfall der halben Studenten-Ausbildung an der medizinischen Fakultät. Es ist ein Bericht mit wenig Licht und viel Schatten. Hier ein Überblick über die Bewertungen und Empfehlungen der gut 200-seitigen „Stellungnahme zur weiteren Entwicklung der Universitätsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“:
Struktur: Laut Wissenschaftsrat ist die medizinische Fakultät „nur bedingt“ in die Gesamt-Universität integriert. Die Uniklinik habe ihre Forschungsaktivitäten nicht ausreichend mit anderen Fakultäten der Luther-Universität oder anderen Forschungseinrichtungen der Region vernetzen können. Das sei hingegen der Magdeburger Uniklinik gelungen. Der wiederum wird eine „überzeugende, international kompetitive Bildung von Forschungsschwerpunkten in synergetischer Kooperation mit den Natur- und Ingenieurwissenschaften“ bescheinigt. Den Hallensern fehle aber durch die „mangelnde Vernetzung“ die Dynamik und ein Ausgleich für die „angespannte personelle und finanzielle Situation“. In der Fakultät mahnt der Rat eine „weitere Professionalisierung der Leitungsstrukturen“ an. Konkret seien ein hauptamtlicher Dekan und ein Geschäftsführer nötig. Um Interessenkollisionen zu vermeiden, soll der Aufsichtsrat von einem externen Fachmann geleitet werden. Derzeit ist es der zuständige Wissenschaftsminister Hartmut Möllring (CDU). Auch wird eine einheitliche Verwaltungsstruktur angemahnt. Derzeit gibt es getrennte Leitungsposten für den Klinikbetrieb und die medizinische Fakultät. Dafür müsste das Land das Hochschulmedizingesetz ändern.
Personal: Seit 2009 standen 32 Berufungen von Professoren an. Ende August 2012 waren 14 noch nicht abgeschlossen. Die Besetzung freier Professuren und Arztstellen gestalte sich in Halle schwierig. „Die Gründe liegen neben den mangelnden finanziellen Ressourcen auch in der mangelnden wissenschaftlichen Attraktivität und den geografischen Gegebenheiten des Standorts.“ Den geografischen Aspekt führt der Rat nicht näher aus. Durch die empfohlene Profilbildung könnten aber „strukturell und finanziell“ attraktive Rahmenbedingungen für Professoren und Ärzte geschaffen werden.
Forschung: Nach der Evaluation 2009 hatte die Uniklinik die Zahl ihrer Forschungsprofilbereiche bereits von vier auf zwei reduziert: auf „Klinische Epidemiologie und Pflegeforschung“ sowie „Krebsforschung/ Molekulare Medizin der Signaltransduktion“. Die strategische Neuausrichtung habe „aber nicht zum gewünschten Erfolg geführt“. Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen sei zu gering, ebenso die eingeworbenen Drittmittel sowie Förderungen von Bund und EU. Die Uni-Medizin habe zwischen 2009 und 2011 im Schnitt 11,4 Millionen Euro im Jahr an Drittmitteln eingeworben - deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 31,2 Millionen.
Der Epidemiologie/Pflegeforschung gesteht der Wissenschaftsrat immerhin Entwicklungsmöglichkeiten zu. Bei der Krebsforschung sei aber eine „nationale bzw. internationale Anschlussfähigkeit“ nicht zu erwarten. Zentrale Professuren, etwa in der Onkologie seien nicht besetzt, die Publikationsleistung unterdurchschnittlich. Letztlich spricht der Wissenschaftsrat der Uniklinik die Forschungskompetenz ab: „Im Ergebnis erfüllt keiner der beiden von der Fakultät definierten Forschungsprofilbereiche die Kriterien des Wissenschaftsrates für einen Forschungsschwerpunkt.“ Auch außerhalb der beiden Bereiche seien „keine zukunftsfähigen Initiativen erkennbar“. Das Gremium empfiehlt die weitere Konzentration auf nur noch einen Schwerpunkt „Epidemiologie, Gesundheits- und Pflegewissenschaften“. Das könne eine „zwar schmale, aber tragfähige Grundlage“ für die Weiterentwicklung der halleschen Unimedizin sein. Das sei dann sogar eine Chance, „neue Wege in Forschung und Lehre“ zu gehen und die Leistungsfähigkeit der Uniklinik zu erhöhen. Dann könnten auch die „großen Herausforderungen der Regionen“ - demografischer Wandel und Ärztemangel - aufgegriffen werden. „Durch seine innovativen Ansätze könnte Halle damit Modellcharakter für andere Regionen, die sich mit ähnlichen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen konfrontiert sehen, zukommen.“
Lehre: Hier würdigt der Wissenschaftsrat einige Fortschritte. „Insbesondere der Einsatz der Medizinischen Fakultät und die signifikanten Verbesserungen der letzten zwei Jahre besonders in der klinisch-praktischen Lehre werden als beachtlich gewertet.“ Unter anderem sei die Studienordnung mit fächerübergreifendem Blockunterricht reformiert worden. Durch den modularen Aufbau des Studiums sei die Ausbildung problemorientierter und kompetenzbasierter. Die Zahl der Langzeitstudenten konnte reduziert werden. Auch die studentische Ausbildung in Zahnmedizin wird als gut bewertet. Ähnlich wie bei der Humanmedizin regt der Wissenschaftsrat aber auch bei der Zahnmedizin eine Schließung und Verlagerung der Vorklinik - der Grundausbildung in den ersten vier Semestern - an: nicht nach Magdeburg, sondern nach Leipzig.
Krankenversorgung: Die Verweildauer der Patienten ist mit acht Tagen laut Wissenschaftsrat überdurchschnittlich lang. Das Gremium moniert eine „mangelnde Krankenhausplanung des Landes“. Es gebe in Halle eine „sehr hohe Zahl nicht-universitärer Krankenhausbetten“ und „parallele Leistungszentren“. Die Konkurrenz durch vier weitere Krankenhäuser sei ein Umfeld, „das die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung erschwert“. Gerade in den Bereichen Perinatalmedizin, Kinder- und Thoraxchirurgie sei die Konkurrenz groß und Abstimmungen nötig. Außer in den Fachgebieten Dermatologie, Herzchirurgie, Mund- , Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie Nuklearmedizin seien „alle Fachgebiete redundant in der Stadt vertreten“. In der ambulanten Krankenversorgung habe die Uniklinik ihr Defizit durch Verhandlungen mit den Krankenkassen verringern können. Die Verluste in der Hochschulambulanz seien von 4,4 Millionen (2009) auf knapp drei Millionen Euro 2011 gesunken. Die Pauschale von 51 Euro pro Fall sei aber „weiterhin nicht kostendeckend“. Diese Verluste im Klinikbetrieb müssten mit Geld aus der Fakultät gedeckt werden - und das fehle bei Lehre und Forschung.