Uniklinik Halle Uniklinik Halle: Gewebe schenkt Augenlicht
HALLE/MZ. - Füßlinge, Mundschutz, steriler Kittel - Gisela Lenz hat das Prozedere unendlich oft wiederholt. Drei bis vier Mal täglich legt die medizinisch-technische Assistentin an ihrem Arbeitsplatz in der Augenklinik der Uni Halle das sterile Outfit an: Immer dann, wenn sie von ihrem Schreibtisch in den so genannten Rein-Raum in der Hornhautbank wechselt.
"Er ist sehr klein, aber auch sehr wichtig", sagt Gisela Lenz über ihren knapp zwölf Quadratmeter großen Arbeitsplatz. Dort sitzt sie an einem speziellen Arbeitstisch, der mit einer Luftzirkulation ausgestattet ist. "Sie sorgt dafür, dass keine Keime eindringen können, während ich die gelieferte Hornhaut präpariere", erklärt sie.
220 davon sind dieses Jahr bereits an Patienten transplantiert worden. Damit ist die Uni Halle deutschlandweit eines der größten Zentren für derartige Eingriffe am Auge. "Die Patienten, die eine neue Hornhaut brauchen, sehen vor dem Eingriff nur noch trübe oder gar nicht mehr", erklärt Dr. Timm Bredehorn-Mayer. Der Oberarzt leitet mit Prof. Gernot Duncker, dem Chef der Uni-Augenklinik, die Hornhautbank. Und er weiß, wie groß der Leidensdruck oft ist, bevor Patienten sich dem Eingriff unterziehen können. "Die Wartezeit auf das Gewebe beträgt derzeit ungefähr ein Jahr", sagt Bredehorn-Mayer. "Vielen Patienten droht bei Nichtbehandlung der Verlust des Augenlichts".
Bevor die Hornhäute präpariert und schließlich verpflanzt werden können, müssen sie zunächst entnommen werden. Eigens dafür gibt es in der Augenklinik Diana Wille. Die Diplombiologin fungiert unter der offiziellen Bezeichnung "Gewebespende-Koordinatorin". Sie wird gerufen, wenn in einer Klinik der Region jemand stirbt, der über einen Organspendeausweis verfügt oder dessen Angehörige einer Entnahme zugestimmt haben.
Sobald das entnommene Gewebe in der Hornhautbank eintrifft, beginnt die Arbeit von Gisela Lenz. Wenn die Hornhaut unter sterilen Bedingungen präpariert worden ist, wird sie unter dem Mikroskop untersucht. 6 000 Zellen pro Quadratmillimeter hat die Hornhaut eines Neugeborenen. "Die Zahl nimmt allerdings im Lauf des Lebens ab. Um das Gewebe zu verpflanzen, muss die Hornhaut noch 2 000 Zellen pro Quadratmillimeter haben", erklärt Lenz, die mit einer Schablone die Anzahl der Zellen feststellen kann. Erst, wenn die Hornhaut auch von den Ärzten für gut befunden wurde, wird sie bei 37 Grad Celsius für maximal vier Wochen in einer speziellen Lösung eingelagert - anders als Spender-Organe muss die Hornhaut nicht sofort verpflanzt werden.
Zu den Empfängern der etwa einen Zentimeter großen Gewebeteile gehören Leute wie Hildegard Müller aus dem niedersächsischen Oldenburg. Nach einer Trübung der Hornhaut hatte sie ihr Arzt nach Halle überwiesen. Obwohl sie auf die Transplantation vorbereitet war, hatte sie mit dem Anruf aus der Augenklinik der Uni Halle, der sie irgendwann in der Küche ihres Hauses überraschte, nicht gerechnet. "Ich war aufgeregt und habe mich zugleich sehr gefreut", sagt die 69-Jährige, die 2008 transplantiert wurde und die noch heute regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen nach Halle kommt.
Den langen Anfahrtsweg nimmt sie gern in Kauf. "Ich bin hier immer gut behandelt worden", sagt sie. Außerdem sei es ein gutes Gefühl, keine Angst mehr haben zu müssen, das Augenlicht zu verlieren. Müller: "Ich freue mich, dass ich meinen kleinen Enkel, der vor kurzem geboren worden ist, mit eigenen Augen sehen kann."