Uni-Klinik Uni-Klinik: Zukunft der Druckkammer-Therapie ungewiss
Halle (Saale)/MZ. - Eine acht Meter lange Röhre, ein zehn Tonnen schweres "Eisenschwein" mit kleinen Fenstern wie Bullaugen. Und mit einer Luftschleuse. Ventile klacken, Pressluft zischt. Die Druckkammer der Universitätsklinik erinnert an ein U-Boot. Und tatsächlich sitzen die Patienten hinter der 500 Kilo schweren Tür in 20 Metern Tiefe, was die Druckverhältnisse betrifft. Denn im Überdruck der Kabine und in Verbindung mit reinem Sauerstoff heilen Wunden besser, werden Taucher nach Unfällen behandelt oder Brandopfer mit Kohlenmonoxid-Vergiftung therapiert.
"Unser Druckkammerzentrum ist derzeit wohl das einzige, das eine 24-Stunden-Bereitschaft hat und schwerstkranke Patienten unter Fortführung einer modernen Intensivtherapie einschließlich maschineller Beatmung in der Druckkammer behandelt", sagt Carsten Pohl, Leiter des Druckkammerzentrums des Instituts für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Uniklinik.
43 solche Kammern gibt es in Deutschland. In Halle steht die einzige von Sachsen-Anhalt. Doch nun ist das besondere Therapie-Angebot gefährdet. Bis zum Frühjahr fällt die Entscheidung, was mit der Druckkammer geschieht, die 2001 in der Dryanderstraße in Halles Süden auf "Tauchfahrt" ging, wie die Mediziner selbst eine Behandlung nennen. "Derzeit finden umfassende Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen statt", sagt Jens Müller, Sprecher der Uniklinik. Grundsätzlich halte man eine Druckkammer für medizinisch sinnvoll. Aber die Kostenerstattungen der Krankenkasse für erbrachte Behandlungen seien unzureichend. Die Alternativen sind: "Weiterbetrieb und Umseztung der alten Anlage nach Kröllwitz, der Kauf einer neuen Anlage oder Verzicht auf den Betrieb einer Druckkammer."
Während Halles Uni-Klinik darüber nachdenkt, die Tauchfahrten zu beenden, baut die Uniklinik in Leipzig aber gerade ein solches Zentrum für stationäre Patienten auf. Dafür wird Personal ausgebildet, auch und gerade in Halles Druckkammer-Zentrum. Das ist aufwändig. Am Klinikum Halle etwa gibt es 18 Mediziner mit einer Tauchmedizin-Ausbildung, die sich die 24-Stunden-Bereitschaft teilen. Und weiteres Fachpersonal wird gebraucht: Tauch-Pfleger und Techniker. "Für Laien steht die Druckkammer meist nur mit der Therapie der Taucherkrankheit in Verbindung. Doch die Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) ist eine Option, die bei vielen anderen Krankheitsbildern erfolgreich angewendet werden kann", sagt Pohl. Die Kombination aus Überdruck und reinem Sauerstoff kann als begleitende Therapie bei Diabetes-Patienten mit Wundheilproblemen Amputationen vermeiden.
"Bei einer Kohlenmonoxid-Vergiftung, etwa bei Brandopfern oder auch Rettungskräften, ist die HBO die einzige effektive Therapie." 34 Fälle waren es im vergangen Jahr in Halle. Die Patienten kommen aus ganz Deutschland, wo Behandlungsmöglichkeiten wie in Halle oft fehlen.
Ein weiterer Notfall, in dem die Therapie nachweislich nützt, ist die "Gasbrand-Infektion". Die Erreger gelangen durch kleine Wunden ins Blut und können töten. Bei vielen weiteren Krankheitsbildern ist die Wirkung von HBO nachgewiesen oder wird in der Fachwelt diskutiert. Diskutiert wird auch die Zukunft von Sachsen-Anhalts einziger Druckkammer. Das Haus in der Dryanderstraße, so Uniklinik-Sprecher Jens Müller, wird auf jeden Fall bis zum ersten Quartal nächsten Jahres genutzt. Ein Nachnutzungskonzept werde erstellt, nachdem die Entscheidung über die Druckkammer gefallen ist.