Uni Halle Uni Halle: Auch für Engelswesen ist die Viertelewigkeit unendlich
HALLE/MZ. - Alles beginnt - wie sollte es zu Weihnachten anders sein - mit einem Engel. "Der heißt Umuriel und kommt im Buch ,Das Weihnachtsgeheimnis' von Autor Jostein Gaarder vor", steigt Herget in die biblische Geschichte ein. Der Engel, der zum Christkind nach Betlehem reist, hat einen interessanten Satz für Mathematiker geprägt. "Ich warte hier schon eine Viertelewigkeit", zitiert Herget aus dem Buch, klappt es zu und fragt bei den Studenten nach: "Wie lange dauert eigentlich eine Viertelewigkeit?"
Eine knifflige Frage ist das zu Weihnachten - wo in Liedern, biblischen Texten und Gebeten häufig Begriffe von "ewig" auftauchen. Nach allen Rezepten der Schulmathematik müsste man herausfinden, wie lange die Ewigkeit dauert, und diese dann durch vier teilen. "Das ist unmöglich. Egal von welcher Zahl man ausgeht - die Unendlichkeit ist immer noch ein bisschen länger. Man kann sagen, dass eine Viertelewigkeit genauso lang ist, wie die ganze Ewigkeit."
"Tausende Philosophen mögen sich den Kopf zerbrochen haben. Wer die Frage mathematisch als erster richtig beschrieb, war Georg Cantor." Herget zwinkert, weil er den Bezug zu Halle gefunden hat. Schließlich wirkte der Begründer der modernen Mengenlehre bis zu seinem Tod, 1918, in der Saalestadt. "Cantor behauptete, das ein Teil einer unendlichen Menge genauso groß sein muss, wie die ganze Unendlichkeit. Das übersteigt unser Vorstellungsvermögen."
Das Unfassbare lasse sich nur modellhaft verdeutlichen, etwa an "Hilberts Hotel". Das vom Mathematiker David Hilbert erdachte Gasthaus dient zur Verdeutlichung verblüffender Konsequenzen des Unendlichkeitsbegriffes. In diesem Hotel, so Herget gibt es unendlich viele Zimmer, die alle voll belegt sind. Nun kommt nachts ausgerechnet noch ein Gast hinzu.
"Für den Portier ist das kein Problem", sagt Herget. "Jeder einquartierte Besucher muss nur ein Zimmer weiterrücken. Der Gast aus Zimmer eins, zieht in die Zwei um. Der aus der Zwei in die Drei, der aus der Drei muss in die Vier." Das Prinzip, dass es zu jeder Zahl einen Nachfolger gibt, gilt auch bei Zimmernummern. Am Ende des Umzugmarathons ist das Zimmer eins für den Ankömmling freigezogen.
"Doch jetzt wird es komplizierter", warnt der 62-Jährige. "Ein Bus kommt mit unendlich vielen Gästen an." Auch diesmal bekämen alle Platz, weil der Portier eine neue Idee hat. "Die Gäste maulen zwar, müssen aber alle in die Zimmer mit den geraden Nummern umziehen", erklärt der Professor. "Der Gast aus Zimmer eins zieht dazu in die Zwei, der aus der Zwei in die Vier, der aus der Drei in die Sechs." Leer gezogen werden alle Unterkünfte mit ungeraden Zimmernummern wie die Eins, Drei, Fünf und die Sieben.
Jetzt folgt die Einsicht: Da sowohl gerade wie auch ungerade Zahlenreihen unendlich fortgeschrieben werden können, habe der Portier es geschafft, die Unendlichkeit seiner Zimmer zu teilen. "Und da die leer gezogenen Zimmer die unendliche Reihe ungerader Zahlen abbilden, finden noch einmal unendlich viele Gäste Platz", sagt der Professor. Auch Georg Cantor konnte über solche Modelle zeigen, das selbst ein Teil einer unendlichen Menge genauso unendlich groß ist. "So einfach ist Mathematik", lächelt Herget.