Ungewöhnlicher Beruf: Schausteller Ungewöhnlicher Beruf: Schausteller: Zuhause im Wohnwagen

Halle (Saale)/Leipzig/MZ - Gisela Meyer ist in vierter Generation Schaustellerin. Sie verkauft an ihrem Stand Süßes, ihr Mann betreibt einen Autoscooter. Außerdem haben beide noch einen „Fliegenden Teppich“, den sie aber nicht mehr oft aufbauen. Die Kraft dafür lasse nach, sagen sie. Die Meyers wohnen in Halle, zumindest einen Teil des Jahres. Den restlichen verbringen sie im Wohnwagen und auf Volksfestplätzen. Immer unterwegs – Gisela Meyer kennt es nicht anders. Über das Leben der Fahrensleute, die derzeit in Leipzig auf der Kleinmesse sind, sprach Anja Herold.
Frau Meyer, sind noch mehr ihrer Verwandten Schausteller?
Gisela Meyer: Ja, Nichte, Neffe, Schwager. Meine Tochter hat eine Schießbude.
Ihr Mann ist Schausteller in der siebenten Generation. Ihr Schwiegersohn stammt ebenfalls aus diesem Gewerbe. Ist das so üblich?
Gisela Meyer: Ja, schon. Man kennt sich eben über viele Jahre ... Und jemand, der nicht aus einer solchen Familie stammt, ist vielleicht gar nicht fähig zu solch einem Leben.
Ihr Großvater hatte einen mobilen Backwarenstand schon während des Krieges, Ihre Eltern betrieben ein Kettenkarussell, eine Los- und eine Schießbude. Haben Sie je darüber nachgedacht, etwas anderes zu machen?
Gisela Meyer: Nein, eigentlich nicht. Ich habe nach dem Abitur meinen Studienplatz nicht bekommen und bei meinen Eltern ausgeholfen. Dann habe ich meinen Mann kennengelernt. Damit war dann klar, was ich machen möchte.
Sie sind nach der 8. Klasse ins Internat gegangen und waren bis dahin immer unterwegs mit ihren Eltern. Wie war das denn so?
Gisela Meyer: Ich konnte es mir nie anders vorstellen. Und ich fand es auch schön. Ein Volksfestplatz ist ein großer Spielplatz. Wir haben auf dem Pferdekarussell meines Onkels Indianer gespielt. Und meine Freunde wollten mich immer besuchen kommen.
Und wie war es in der Schule? Hatten Sie keine Probleme, Freunde zu finden in der kurzen Zeit des Besuches?
Gisela Meyer: Gar nicht, im Gegenteil. Ich denke, dass Schausteller sehr kontaktfreudige Menschen sind. Wir mussten einfach lernen, auf Menschen zuzugehen. Man entwickelt da so Strategien. Zum Beispiel, indem man erkennt, wer Anführer in einer Klasse ist. An den hat man sich dann gehalten.
Wie lange waren Sie denn immer in einer Klasse?
Gisela Meyer: Meistens von Montag bis Freitag. Zu DDR-Zeiten war das noch leichter, es gab ja nur eine Schulart. Nach der Wende, für unsere Tochter also, wurde das schwieriger. Übrigens bin ich jedes Jahr in die gleichen Klassen gekommen wie in den Vorjahren. Da kannte ich dann schon die Schüler und Lehrer.
Wie sieht Ihr Alltag heute aus?
Gisela Meyer: Der Vormittag vergeht mit Wartungsarbeiten, Aufräumen, Putzen. Dann koche ich Mittag, für fünf bis neun Personen. Unsere Angestellten werden von uns mit versorgt. Ab 14 Uhr stehe ich dann am Stand, in der Woche bis 20 Uhr, am Wochenende länger. Auf der Eisleber Wiese bis 2 Uhr früh.
Sie leben den größten Teil des Jahres in einem Wohnwagen. Ist das nicht ein bisschen eng?
Gisela Meyer: Nein. Der Wagen ist wie eine Neubauwohnung, mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad. Er ist zehn Meter lang und 2,50 Meter breit. Die Möbel wurden von einem Tischler extra eingebaut. Unsere Tochter hatte, als sie alt genug war, einen eigenen Campingwagen. Das war das Kinderzimmer.
Und wie klappt das Zusammenleben mit den anderen Schaustellern?
Gisela Meyer: Gut, das ist wie überall. Manchmal ist es auf kleinen Plätzen ein wenig eng, da kann man dem anderen schon mal auf den Teller gucken. Ich sage immer, es ist hier wie auf dem Dorf.
Stand es für Sie fest, dass Ihre Tochter ebenfalls Schaustellerin wird?
Gisela Meyer: Da war kein Zwang dahinter. Meine Tochter hat Köchin gelernt und sich danach entschieden, bei uns zu bleiben. Das ist eigentlich bei allen Schaustellern so. Dieser Beruf ist kein Lehrberuf, man achtet also darauf, dass die Kinder eine Ausbildung machen.
Probieren Sie selbst die Fahrgeschäfte aus, mit denen Sie auf dem Rummel stehen?
Gisela Meyer: Ich vertrage das nicht so gut. Nur, wenn ich etwas Neues interessant finde, probiere ich es. Aber die Kinder hier, auch mein zweijähriger Enkel, die fahren gerne. Die lernen das schon, bevor sie anfangen zu laufen. Der Sohn einer Kollegin wollte immer vor dem Einschlafen noch mit dem ,Fliegenden Teppich“ fahren. Da war er gerade einmal neun Monate alt.
Wie oft sind Sie denn in Halle, in Ihrer Wohnung?
Gisela Meyer: Inzwischen so vier bis fünf Monate im Jahr. Früher war das anders, wir sind zum Beispiel zwanzig Jahre lang mit dem „Teppich“ in Irland gewesen, jedes Jahr einige Wochen. Da waren wir seltener hier. Heute gucken wir genau, was sich lohnt und wie hoch der Aufwand ist.
Werden Sie nervös, wenn die Pause zu lange dauert?
Gisela Meyer: Inzwischen nicht mehr, wir wollen jetzt mehr Ruhe. Im Winter ist das okay, da haben wir auch viel mit Wartungsarbeiten und ähnlichem zu tun. Im Frühling werden wir aber kribbelig. Das liegt im Blut.
Sie sind jetzt 60 Jahre alt, Ihr Mann bald 65. Hören Sie auf, wenn Sie das Rentenalter erreicht haben?
Gisela Meyer: Da habe ich schon öfter drüber nachgedacht. Ganz aufhören können wir sicher nicht, wir sind mit dem Beruf verwachsen. Vielleicht können wir dann bei unseren Kindern mitmachen.
Apropos aufhören: Fahren Sie auch mal in den Urlaub?
Gisela Meyer: Wir fahren im Winter eine Woche weg. Länger haben wir es noch nicht geschafft, wir haben ja auch Angestellte. Und wenn man so viel unterwegs ist, ist der Drang zu verreisen nicht so groß.