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Ungewöhnliche Privatinitiative in Halle Ungewöhnliche Privatinitiative in Halle: Rentner kauft sich einen Weg

Von Michael Falgowski 23.03.2015, 09:23
„Ich lebe noch nicht lange hier. Erst 84 Jahre!“ Horst Mühlbach will der Stadt trotzdem den Bau eines Weges bezahlen.
„Ich lebe noch nicht lange hier. Erst 84 Jahre!“ Horst Mühlbach will der Stadt trotzdem den Bau eines Weges bezahlen. Günter Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Horst Mühlbach, 84 Jahre alt, möchte einen Fuß- und Radweg bauen lassen – und ihn der Stadt schenken. Bis zu 60.000 Euro könnte die mehr als 400 Meter lange neue Verbindung in der Frohen Zukunft, zwischen Wickenweg und Zöberitzer Straße, kosten.

Ein privat finanzierter öffentlicher Weg, ganz ohne kommerzielles Interesse gespendet – das ist neu in Halle. Das ungewöhnliche Angebot des Rentners hat nach dem ersten Erstaunen inzwischen die Bauverwaltung im Rathaus tätig werden lassen. „Das fragliche Grundstück für den Weg wurde bewertet. Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Land als Eigentümer. Zudem werden noch naturschutzrechtliche Fragen abgestimmt“, sagt Stadtsprecher Drago Bock. Die Bauarbeiten könnten aber bereits im Oktober beginnen. Ein 2,50 Meter breiter, befestigter Weg soll angelegt werden, wo sich heute verwildertes Grünland erstreckt.

Investieren statt vererben

„Der Weg stellt eine sinnvolle Ergänzung zum bisherigen Straßensystem dar. Er soll eine Verbindung zwischen den bisherigen Wohngebieten am Landrain und der Frohen Zukunft und dem Naherholungsgebiet an den Posthornteichen bilden“, hatte die Stadt bereits 2003 an Horst Mühlbach geschrieben. Damals wurde der Bebauungsplan für ein Baugebiet aufgestellt. Nur Geld hatte man für die Verbindung „mit Freizeitcharakter“ nicht. So wie heute und auch in absehbare Zeit nicht, so die Stadt. Nun will das Ehepaar Mühlbach den Weg bezahlen. Dabei sind sie keine Superreichen. Er habe das Geld aber, versichert er. „Sonst würde ich das nicht anbieten“. Warum aber will er es für diesen Fuß- und Radweg ausgeben?

Mühlbach will das Geld nicht vererben, lieber in der Frohen Zukunft, in seinem Stadtviertel etwas hinterlassen, sagt er. „Ich lebe noch nicht lange hier. Erst 84 Jahre!“ Tatsächlich ist er in der Frohen Zukunft geboren. Er hat noch immer das Klappern der Holzschuhe der KZ-Häftlinge im Ohr, die auf der Straße Frohe Zukunft zu den Siebel-Flugzeugwerken geführt wurden, welche sich links und rechts der heutigen Dessauer Straße erstreckten. Er weiß auch, wo genau das beliebte Ausflugslokal „Sanssouci“ von einer Fliegerbombe getroffen wurden. An seiner Stelle wurde das Wohnhaus des Malers Willi Sitte gebaut. Vor allem aber hat Mühlbach Jahrzehnte die ehemalige Gärtnerei der Siebel-Werke betrieben. „Reste“ dieser Gärtnerei lagern noch überall auf dem Grundstück des Rentners. Wenn Horst Mühlbach, sein Fahrrad als Halt nutzend, durch sein Viertel läuft, grüßen ihn viele. 160 Unterschriften für den Wegebau hat er bei seinen Nachbarn eingesammelt.

Mühlbach holt Versäumtes nach

Dass er sich nun als Wegbereiter engagiert, hat viel mit der Geschichte zu tun, deren Zeuge er wurde. Mühlbach rollt einen großen Bauplan aus dem Jahr 1939 aus. „Neubau der Boelkestraße“ steht darauf. „So hieß die Dessauer Straße damals. Die Siebel-Werke wollten die Straße verlegen, die mitten durch ihr Werk führte. Die neue Trasse sollte parallel von der Endschleife aus nach Norden führen. Doch sie wurde nie fertig gebaut“, erzählt Mühlbach. Obwohl schon 1938 klar war, das hat Mühlbach im Stadtarchiv herausgefunden, dass die Siebel-Werke aus Kostengründen auf den Straßenbau verzichteten, wurden die privaten Eigentümer von der Stadt gezwungen, die benötigten Flächen zu verkaufen. Darunter auch die Eltern von Host Mühlbach. Das war ungerecht, sagt er. Später habe er versucht, das Grundstück hinter seinem Haus zurück zu kaufen. Das habe die Stadt aber abgelehnt, unter Verweis auf den geplanten Weg. „2003 habe ich mir gesagt: jetzt warte ich mal zehn Jahre. Aber nichts ist passiert. Und dann habe ich mich eben entschlossen, den Weg zu finanzieren“, sagt Mühlbach.

Bürgerengagement ist nichts Neues

Dass Privatleute der klammen öffentlichen Hand unter die Arme greifen, ist gerade in den vergangenen Jahren in Halle immer mal wieder vorgekommen. So haben Vereine und Privatfirmen unter anderem die Bürgerbrücke auf der Peißnitz, die Liegebänke an der Saalepromenade in Trotha, Sitzbänke am Riveufer sowie die Marktbegrünung ermöglicht. Die ungewöhnliche Privatinitiative in der Frohen Zukunft, die wohl auf einen mehr als 400 Meter langen „Horst-Mühlbach-Weg“ hinauslaufen wird, ist bislang einzigartig. (mz)

Zwischen Wickenweg und Zöberitzer Straße soll der 400 Meter lange Weg von Horst Mühlbach entstehen.
Zwischen Wickenweg und Zöberitzer Straße soll der 400 Meter lange Weg von Horst Mühlbach entstehen.
Grafik: MZ Lizenz