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Turnen Turnen: Eine zweite Chance

Von Petra Szag 18.01.2013, 21:33

Halle (Saale)/MZ. - Der Blick zur Uhr verrät eine gewisse Unruhe. "Eigentlich müsste er längst hier sein", sagt Trainer Hubert Brylok ratlos. Das Sportschul-Internat, in dem sein jüngster Schützling, Nick Klessing, neuerdings untergebracht ist, liegt schließlich nur einen Katzensprung von der Turnhalle entfernt.

Möglichkeiten zu versacken gibt es auf dieser kurzen Strecke eigentlich nicht, weder ein verführerisches Fastfood-Restaurant noch Kino oder Shopping-Möglichkeiten sind in der Nähe.

Gerade noch rechtzeitig, bevor man sich ernsthaft Sorgen machen muss, taucht der Erwartete zum vereinbarten Fototermin auf, fröhlich lachend. Eine Frohnatur, dem man nur schwer etwas übelnehmen kann.

In Chemnitz, wo Klessing bis Ende November trainiert hatte, war es dennoch zu erheblichen Turbulenzen gekommen. Disziplin-Schwierigkeiten, hieß es offiziell. "Es hat einfach nicht mehr gepasst", nennt es Klessing. Er hatte sich einer neuen Trainingsgruppe anschließen müssen, weil sein Coach Bernd Rudelt einen Herzinfarkt hatte.

"Mit denen kam ich aber nicht zurecht", gibt der 15-Jährige zu. Aus dem Nähkästchen plaudern wollte der deutsche Mehrkampf-Jugendmeister nicht, Fakt ist jedoch: Die Tür zum Verein war zu.

Und Halle öffnete seine, auf Bitte von Rudelt, mit dem Brylok seinerzeit zusammen studiert hatte. Außerdem arbeiten Vereine auch in der Bundesliga zusammen, stellen mit dem Mitteldeutsche Turnteam eine gemeinsame Riege.

Brylok wiederum ist vor seiner neuen Aufgabe nicht bange. Mit Matthias Fahrig hat der Nachwuchstrainer schließlich schon einmal einem so genannten Problemfall groß gekriegt. Bisher jedenfalls lief die Arbeit mit Klessing nahezu reibungslos.

Nur einmal war es zur Kraftprobe zwischen den beiden gekommen. Als der Gymnasiast früh verpennte, "habe ich ihn in seine Grenzbereiche geführt", erzählt Brylok augenzwinkernd. Und die verlorene Zeit so wieder aufgeholt.

Der Kampf um das Talent, denkt Brylok, lohnt sich. "Wir haben schließlich alle mal in unserer Jugend Fehler gemacht, ich bin immer für eine zweite Chance", sagt der 52-Jährige und lobt Klessings turnerische Veranlagung. "Er ist schnell. Und er hat positive Wettkampf-Eigenschaften, ist ein gnadenloser Durchzieher." Dazu kommt, dass der aus dem erzgebirgischen Rodewisch stammende Bursche "eine gewisse Urkraft mitbringt", so Brylok.

Die zahlt sich an den Ringen aus. Dazu kommen als starke Geräte Boden und Sprung - auch hier gibt es Parallelen zu Fahrig. Der Bundes-Nachwuchstrainer Jens Milbradt jedenfalls hat Klessing großes Talent bescheinigt. "Auch deshalb habe ich mir überlegt, nicht alles hinzuschmeißen, sondern es noch einmal in Halle zu versuchen", sagt der Turner.

Mit ihm hat sich die Kaderzahl im Bundesstützpunkt Halle auf sieben erhöht. Neben B-Kader Fahrig gibt es durch den Neuzugang sowie Jan Winkler und Adrian Pflüger nunmehr drei mit C-Kaderstatus. Dazu kommen Johannes Becker (D / C) und die Perspektiv-Kader Danilo Akulow und Tom Nestler.