Trinkwasser weiter abkochen Trinkwasser weiter abkochen: Die rätselhafte Infektion in Halle
Halle (Saale)/MZ - Die Suche nach der Ursache für die vermehrten Durchfallerkrankungen in Halle ist bislang ergebnislos geblieben. „Die Quelle der Erreger konnte noch nicht ermittelt werden“, teilte das Gesundheitsamt der Saalestadt gestern mit. Dagegen ist die Zahl der Erkrankten weiter leicht gestiegen: Aktuell seien 51 Fälle seit Mitte Juli von sogenannten Kryptosporidien-Infektionen nachgewiesen worden, sagte Stadtsprecher Drago Bock am Dienstag zur MZ. Kryptosporidien sind einzellige Parasiten.
In Halle seien vor allem Kinder von der Erkrankung betroffen, so Stadtsprecher Bock. Sie wohnten allerdings über das gesamte Stadtgebiet verteilt, so dass der Wohnort keine Rückschlüsse auf die Quelle des Erregers zulasse. Die Häufung der Infektionen - normalerweise sind es zwei bis drei pro Monat - habe die Verwaltung dazu veranlasst, die Warnung herauszugeben. Das hallesche Gesundheitsamt rät daher weiter, Trinkwasser abzukochen; auch Obst und Gemüse sollten nur mit abgekochtem Wasser gereinigt werden. Dies sei eine „rein vorbeugende Maßnahme“, heißt es aus Halles Stadtwerken. Stadtsprecher Bock betont, es bestehe kein Grund zur Panik.
Mit Ergebnissen der Laboruntersuchungen wird erst am Ende dieser Woche gerechnet. Das Problem: Halles Stadtwerke testen die Wasserqualität sehr regelmäßig. Es gibt aber nur zwei Labore in Deutschland - sie befinden sich in Bad Elster und Bonn -, die auf die Kryptosporidien spezialisiert sind. Alle halleschen Proben werden darum derzeit per Kurier in den sächsischen Kurort gebracht.
Die Hotline ist am Donnerstag von 7 Uhr bis 20 Uhr unter der Telefonnummer 0345/221 32 53 erreichbar.
Zusätzlich zum Trinkwasser wird derzeit auch das Wasser in den Freibädern der Saalestadt genau untersucht - Kryptosporidien wurden dort bislang nicht gefunden. Neben den sechs Inspektoren des halleschen Gesundheitsamts sind seitens der Stadt auch Mitarbeiter der Bereiche Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung im Einsatz; unterstützt werden sie von Mitarbeitern von Landes- und Bundesbehörden.
Gefährdet sind vor allem Menschen mit geschwächter Immunabwehr, Säuglinge und Hochbetagte: Dementsprechend nimmt man vor allem in Altenpflegeheimen und Kindertagesstätten die Warnung ernst: In der halleschen Paul-Riebeck-Stiftung etwa werden Bewohner und Mitarbeiter angehalten, kein Wasser aus der Leitung zu trinken. Auch fürs Zähneputzen wird Wasser aus Flaschen verwendet.
Beim Gesundheitsamt hat die Stadt eine Telefonhotline eingerichtet, um die Fragen der Hallenser schnellstmöglich zu beantworten. Seit Dienstagmorgen stehen dort die Telefone nicht mehr still: "Wir bekommen ununterbrochen Nachfragen von Bürgern. Die Telefone klingeln pausenlos." Nach Angaben von Stadt-Pressesprecher Drago Bock stehen dabei hauptsächlich Fragen zur Vorbeugung im Mittelpunkt.
Nach Angaben der Stadt werde derzeit nach der Ursache der Erkrankungen geforscht. „Wir führen in Abstimmung mit übergeordneten Bundes- und Landesbehörden weitere Proben durch. Dazu werden auch die Betroffenen befragt, um die Quelle näher einzugrenzen“, so Stadtsprecher Bock. Wie lange das Abkoch-Gebot gilt, ist deshalb noch nicht klar.
Cryptosporidien sind weltweit verbreitete, sehr kleine Parasiten. Infektionsmöglichkeiten bestehen bei Tierkontakt und durch die Aufnahme von kontaminiertem Wasser oder verunreinigten Lebensmitteln. Der leitende Oberarzt der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum in Kröllwitz kennt die Infektion. „Normalerweise lösen diese Einzeller nur bei immunschwachen Menschen Durchfall aus. Dass gesunde Menschen so stark erkranken, ist eher die Ausnahme“, sagt der Mediziner. Eine Infektion durch Noro-Viren oder Coli-Bakterien komme dagegen wesentlich häufiger vor.
Regelmäßiges und intensives Händewaschen mit Seife, vor allem nach der Toilettenbenutzung sowie bei Kontakt mit Windeln, Abwasser, Gartenerde und Haustieren.
Frisches Obst und Gemüse sollte vor dem Verzehr mit abgekochtem Wasser gereinigt oder geschält verzehrt werden.
Das Trinkwasser ist nur im abgekochten Zustand zum Trinken, zur Nahrungszubereitung und zum Zähneputzen geeignet.
Zum Duschen und Baden oder zur Nutzung im Haushalt, beispielsweise im Geschirrspüler oder in der Waschmaschine, kann das Wasser aus dem Trinkwassernetz dagegen weiterhin ohne Einschränkungen verwendet werden.
Wer an einer Cryptosporidien-Infektion erkrankt ist, hat oft Bauchschmerzen und leichten Durchfall, manchmal auch Fieber. Für gewöhnlich klingen die Beschwerden nach Schäfers Einschätzung bei gesunden Menschen nach ein bis maximal zwei Wochen von allein wieder ab. „Bei kranken Menschen, die ein schwaches Immunsystem haben, können die Verläufe aber auch chronisch werden“, so die Erfahrungen des leitenden Oberarztes. Auch Kinder sind häufig betroffen.
Ob möglicherweise die Durchfall-Erkrankung in Zusammenhang mit dem Sommer-Hochwasser steht, konnte Stadtsprecher Drago Bock am Montag nicht sagen. Im Saline-Bad würden Proben entnommen. Dort war die Technik im Zuge des Hochwassers überschwemmt. Vorsorglich war es deshalb auch während und nach dem Hochwasser gesperrt worden.
Wasser aus der zentralen Trinkwasserversorgung ist gut überwacht, vor allem in Katastrophensituationen. In Halle wurde das Trinkwasser nach den Überschwemmungen durch die Saale prophylaktisch leicht gechlort, um mögliche Keime abzutöten.