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Touren durch die Stadt voller Wissen

Von Michael Deutsch und Michael Tempel 14.07.2008, 18:54

Halle/MZ. - Die Leopoldina in Halle ist Natio- nale Akademie der Wissenschaf- ten. Halle? Was ist das eigentlich für eine Stadt? Mehrere 100 Gäste des montäglichen Festakts ließen es sich am Nachmittag nicht nehmen, bei Rundfahrten die Saale- stadt näher kennen zu lernen.

Das Problem scheint unlösbar: Die Zeit ist knapp - die Stadt ist groß. Wie soll man da Gästen einen Überblick verschaffen? Wolfgang Lukas' Lösung liegt weit oben. Der Geschäftsführer des halleschen Technologie- und Gründerzentrums sparte mit Worten und führte seine Gäste gleich aufs Dach des Bio-Nano-Zentrums, wo man eindrucksvoll einen Rundblick über Halles Wissenschaftslandschaft Heide-Süd genießen kann.

Am Montag, nach dem offiziellen Festakt zur Ernennung der halleschen Leopoldina zu Deutschlands Nationalakademie, nutzten gleich mehrere hundert Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik die Möglichkeit, Halle als Kultur- und Wissenschaftsstadt zu entdecken. Wie Touristen durften die Festgäste aus zwei geführten Bustouren wählen: Die erste Route - sie führte zur Uni Halle und zu den Franckeschen Stiftungen - widmete sich vorrangig der Historie. Die zweite Tour glich einer Entdeckungsreise zu Halles technologischer Zukunft. Hier rollte der Bus zum Bio-Nano- und zum Biozentrum sowie zum Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM.

IWM-Institutsleiter Prof. Ralf B. Wehrspohn empfängt die Gäste in seinem gläsernen Refugium und rückt gleich mit der Wahrheit raus: "Wo Sie hier stehen, war einst die Wäscherei der Sowjetarmee. Hier, am idyllischen Teich wurden damals Panzer gewaschen", sagt der Institutsleiter. Die Zuhörer staunen. Auch noch, als ihnen Wehrspohn Siliziumgestein in die Hand drückt, erklärt, dass daraus Photovoltaik-Module entstehen und berichtet, dass sich Silizium einer so starken Nachfrage wie das Rohöl erfreue. "270 Dollar kostet das Kilo". Aufgrund dessen forsche man nach einem billigeren, technischen Silizium für Solaranwendungen.

Prof. Denis Monard nickt anerkennend. "Halle hatte für mich bislang nur einen musikalischen Ruf durch Händel - jetzt staune ich über die wissenschaftliche Seite der Stadt", sagt der Präsident der Schweizer Akademie der Wissenschaften, der erstmals in Halle weilt. "Ich werde wiederkommen, auch, um die Händel-Festspiele zu erleben", verspricht der Klassikliebhaber.

Von der Technologiezukunft in Heide-Süd zu den historischen Keimzellen der halleschen Wissenschaft: Im aufwendig sanierten Löwengebäude blickt Birger Munk Olsen gebannt in die Höhe. Die Wandmalereien und die vielen schmückenden Details im Treppenhaus haben das Interesse des 73-Jährigen geweckt. Olsen ist Alt-Philologe und Alterspräsident der Königlich-Dänischen Akademie der Wissenschaften. Konzentriert folgt er den Erläuterungen von Kustos Ralf-Torsten Speler, der den Gästen das historische Hauptgebäude der Uni näher bringt. "Ich war 1976 bereits in Halle", sagt Olsen. Damals weilte er zu Forschungszwecken in der Stadt. "Es hat sich seitdem unheimlich viel verändert." In der Aula wird den Gästen später auf der Sauer-Orgel jene Choral-Fantasie von Bach vorgespielt, die lange als verschollen galt und die von Uni-Mitarbeitern vor kurzem erst wiederentdeckt worden war.

Die Geschichte der Uni, namhafte Gelehrte, die an der Alma Mater wirkten oder aus ihr hervorgingen - Speler hat seinen honorigen Besuchern vieles zu berichten. Allein eine Übersetzung ins Englische fehlt. Nicht alle Teilnehmer können Deutsch. So muss auch der chinesische Informatiker Tieniu Tan passen. "I don't speak german", sagt er. Eines habe er während seines Aufenthaltes aber bereits festgestellt: "Halle is a nice city."

In den Stiftungen wird den ausländischen Tourteilnehmern dann aber eine englische Führung angeboten. Die sanierten Fachwerkgebäude, die restaurierte Kulissenbibliothek, das Kunst- und Naturalienkabinett und der Blick über die Stadt vom Altan der Stiftungen vermitteln den Besuchern, dass der neue Nationalakademie-Standort eine Menge zu bieten hat. Unter den Führungsteilnehmern ist übrigens auch Halles Ehrenbürgerin Marianne Witte. Die 85-Jährige aus Mülheim an der Ruhr hatte mit einer Millionen-Spende die Sanierung des Stadtgottesackers unterstützt. Ihr Vater, der Nobelpreisträger Prof. Karl Ziegler (1898-1973), war langjähriges Mitglied der Leopoldina. Dass die Wissenschaftler-Vereinigung nun Nationalakademie ist, findet sie "einfach toll. Das ist für das Image der Stadt förderlich", meint sie.

Stunden später finden sich die Festgäste abermals in der Aula des Löwengebäudes ein. Halles Rathauschefin Dagmar Szabados (SPD) und Uni-Rektor Prof. Wulf Diepenbrock haben zum Sommernachts-Empfang eingeladen und begrüßen jeden Gast persönlich. Akademisches Orchester und Uni-Bigband spielen auf, bevor die Gäste mit dem Lichtspektakel "Hallumination" auf dem Uni-Platz überrascht werden.