28. August 1991 Kurt Cobain: Als Nirvana 1991 in der Schorre in Halle (Saale) spielte
Berlin/Halle (Saale) - Heute, am 20. Februar 2018, wäre Grunge-Legende Kurt Cobain 51 Jahre alt geworden. Auch in Halle hinterließ er seine Spuren. Deshalb veröffentlichen wir zu seinen Ehren noch einmal den Artikel vom vergangenen Jahr zum einzigen Auftritt von Nirvana in der Schorre im Jahr 1991 - als noch relativ unbekannte Vorband.
Wie Kurt Cobain wohl aussähe mit 50? Ergraut? Mit Bauch? Würde er Anzug tragen oder Karo-Hemd? Hätte die exzessive Drogensucht ihn noch weiter gezeichnet? Oder hätte er die Kurve nochmal gekriegt?
Sein Nirvana-Bandkollege Krist Novoselic hat inzwischen Halbglatze, der Dritte im Bunde, Dave Grohl, hat sich dagegen zumindest optisch kaum verändert seit damals.
Welches Schicksal das Leben für Cobain noch bereitgehalten hätte, wird nach jenem schicksalhaften Tag im Jahr 1994 unbeantwortet bleiben. An diesem Montag, dem 20. Februar 2017, wäre Cobain 50 Jahre alt geworden. Doch am 5. April 1994 erschoss er sich in seinem Anwesen in Seattle - wohl im Heroinrausch - mit einer Schrotflinte.
Auch in Halle hat Kurt Cobain seine Spuren hinterlassen. 1991 spielt er als noch relativ unbekannter Musiker mit seiner Band in der Schorre als Vorband der US-Gruppe Sonic Youth.
Der Mann mit dem verfitzten Blondhaar stand auf dem Parkplatz hinter der Konzerthalle und hielt die Hand auf. „Ich habe ihm seine 500 Dollar Gage in die Hand gedrückt", erinnert sich der hallesche Konzertveranstalter Matthias Winkler, „dann hat er sich ins Campingmobil verdrückt."
Es ist der 28. August des Jahres 1991, ein heißer Sommertag, an dem die Zukunft des Rock'n'Roll zu Besuch an die Saale kommt. Als Vorgruppe ihres Konzertes in der Easyschorre hat die US-Gruppe Sonic Youth Nirvana eingeladen: eine Band, die niemand kennt. Die aber in den kaum drei Jahren bis zum tragischen Freitod ihres Frontmannes Kurt Cobain am 5. April 1994 die Welt verändern wird.
An diesem Abend allerdings ist davon nur ein Hauch zu spüren. „Bassist Krist Novoselic war schlecht gelaunt", erzählt Matthias Könau, Gitarrist der halleschen Band Allfarbe und damals beim Bühnenaufbau beschäftigt. Novoselic habe über Drummer Dave Grohl geschimpft. „Wahr ist", sagt Könau, „dass sie erst laut waren und dann schnell betrunken." Trotzdem, erinnert sich Schorre-Booker Dirk Götze, „alle im Saal spürten, dass da was Besonderes passiert". Wurde das Trio anfangs noch ignoriert, hörten beim dritten Lied alle gebannt zu. „Und danach wurde überall gefragt, wer das war."
Vier Wochen danach wusste es jeder. Am 24. September veröffentlichten Nirvana das Album „Nevermind", 12 Stücke, die Schockwellen um die Erde schickten: Nie zuvor war Wut so melodisch, Inbrunst so ernsthaft vorgetragen worden, hatte eine Gitarre so viel Kraft ausgestrahlt, eine Stimme so berührt.
Zwei Wochen später erhalten Nirvana ihre erste Goldene Schallplatte. Ende Oktober rotiert „Smells Like Teen Spirit" auf allen Kanälen. Anfang Januar steht „Nevermind" auf Platz 1. Und im April 1992 schauen Nirvana vom Cover des „Rolling Stone", der wichtigsten Musikzeitschrift der Welt. Ein Höhenflug, mit dem Sänger Cobain schlecht zurechtkommt. Der Junge im Karohemd sucht Zuflucht in Drogen und Zynismus. Er komponiert Lieder, die „I Hate Myself And I Want To Die" heißen. Flüchtet vor den Nachstellungen der Medien in die Arme der als unerschrocken geltenden Hole-Sängerin Coutney Love. Bekommt mit ihr seine Tochter Francis Bean.
Geholfen aber hat es nicht: Als Nirvana am 18. November 1993 in den Sony Studios in New York Platz nehmen, um ein „MTV-Unplugged"-Konzert zu geben, stehen Wahnsinn und Verzweiflung dem 27-Jährigen ins Gesicht geschrieben.
Die letzten vier Monate seines Lebens verbringt das größte Songwriter-Genie der Generation X zwischen Aufbegehren und Aufgebenwollen. Cobain spritzt wieder Heroin. In München spielen Nirvana Anfang März ihr letztes Konzert. In Rom bricht Kurt zusammen. Der Sänger landet in einer Entzugsklinik. Von dort jedoch flieht er, um sich in einem Zimmer über der Garage seines Hauses in Seattle mit einer Schrotflinte in den Kopf zu schießen.
Drei Tage später findet ihn morgens um 8.40 Uhr ein Elektriker. Cobain trägt Jeans und Sandalen, sein Abschiedsbrief endet: „Ich habe es gut und ich bin dankbar. Aber seit ich sieben war, habe ich alle Leute gehasst - es ist besser auszubrennen, als langsam zu verblassen."
In Dirk Götzes Büro in Halle hängt bis heute ein Plakat des Konzertes aus dem Sommer 1991. Kein bisschen verblasst. (MZ-Text vom 7. April 2004)
Kurt Cobain und der Hype um Nirvana
Kurt Cobain hat als Frontmann der Band Nirvana Musikgeschichte geschrieben und mit dem Grunge ein neues Musikgenre begründet. Dieser Grunge (deutsch: Schmutz), eine Art aggressiver, aber melodiöser Punk, wurde Anfang der 90er Jahre zum Soundtrack einer ganzen Generation. Das zweite Studio-Album von Nirvana, „Nevermind“, brachte mit Songs wie „Smells Like Teen Spirit“ und „Come As You Are“ den weltweiten Durchbruch. Auf dem Album-Cover taucht ein nacktes Baby einem Dollar-Schein hinterher. Die Platte verkaufte sich millionenfach.
Der Ruhm aber war wohl zu viel für den aus zerrütteten Familienverhältnissen stammenden, schwer drogenabhängigen Cobain, der in seinem Abschiedsbrief unter anderem schrieb, er wolle seinen Fans nicht länger etwas vorgaukeln, sie nicht abkassieren. Am 5. April 1994 nahm er sich in Seattle das Leben. Laut Wirtschaftsmagazin „Forbes“ löste Cobain 2006 kurzfristig sogar Elvis Presley in der Liste der „am besten verdienenden Toten“ ab. Ende 2008 kam eine zerschmetterte Gitarre von ihm für 100.000 Dollar unter den Hammer. (mz/dpa)