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Theater Halogen Theater Halogen: Im beruhigenden Bann einer Utopie

Von Nancy Mattstedt 28.06.2004, 16:53

Halle/MZ. - Seit dem Wochenende ist es auch in Halle zu sehen. Unter der Regie von Susanne Range, Dramaturgin des neuen theaters, wagten sich mehr als ein Dutzend studentische Darsteller an die Daten- und Reliktenfülle des Kommunismus, dessen blumiger Rest heute noch irgendwo in Kuba, China oder auf Flohmärkten blüht.

Zwar spielt das Stück zur Zeit Stalins, doch will "Die Geschichte des Kommunismus nacherzählt für Geisteskranke" nicht den Stalinismus aufzeigen, sondern die Wirkungsweise jeder massenmobilisierenden, utopischen Lehre: Nach Matéi Visniec werden Kinder und Verrückte schnell in den Bann einer Utopie gezogen und damit beruhigt, bald glücklich zu werden, wenn sie nur gehorchen.

Die Geschichte beginnt und endet in einer psychiatrischen Anstalt, offiziell auch politische Psychiatrie genannt: Die Insassen sind teils politische Gegner des Sowjetregimes, teils an Überverherrlichung Stalins leidende Kreaturen. In diese ambivalente Enge tritt der Schriftsteller Yuri Petrowski (Jens Kreher). Er soll die Lehren des Kommunismus unter den Insassen verbreiten.

Genosse Petrowski geht diszipliniert auf Tuchfühlung mit den geistig Inhaftierten, doch ist er es, der heimgesucht wird: Unfreiwillig wird er zu einem psychiatrie-getrimmten Insider. Seine Rede vom Staat "in dem niemand irgendjemanden in die Scheiße reiten darf" erreicht zunehmend Konformität.

Es sind vor allem die jungen Darsteller, die eine Adaption in die heutige Zeit schaffen. In allen Figuren steckt Ambivalenz, als Ergebnis des Arrangements mit einem Regime. Das Theater Halogen zeigt ein facettenreiches Theaterspiel - inklusive Videoinstallationen und spannenden TV-Filmeinlagen. Und auch das Spiel der 14 Darsteller auf der kleinen Bühne macht Spaß.

Am Ende stirbt Stalin, die Diktatur zerfällt. Aber es bleibt etwas. Für eine Erkenntnis braucht der Zuschauer jedoch viel Zeit. Jeder nimmt etwas anderes mit - aber das ist wohl auch gut so.

Die Vorstellung am Mittwoch ist ausverkauft. Karten gibt es noch für den 3. und 4. Juli, Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr.