"Liebeskarawane" im Stadion am Zoo TeBe-Berlin-Fans auf Tour: Warum Berliner den VfL Halle 96 unterstützen

Halle (Saale) - Es sind Heimatlose. Fans, die sich in ihrem eigenen, dem Mommsenstadion nicht mehr zu Hause fühlen. Die deshalb seit Monaten auf Reisen sind. Vornehmlich in Berlin. Aber auch in Hessen sind die Anhänger von Tennis Borussia (TeBe) Berlin schon gewesen. Oder Anfang April in Leipzig bei Roter Stern.
Nun macht die „Caravan of Love“, die Liebeskarawane, wie die Fans ihre Tour durch fremde Stadion nennen, Station in Halle, im Stadion am Zoo. Am Samstag haben sich rund 50 Fans des Berliner Oberligisten angekündigt, um den halleschen Oberligisten VfL 96 beim wichtigen Kellerduell gegen den VfL Hohenstein-Ernstthal (Anstoß 15 Uhr) zu unterstützen. „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir Teil der Tour sind“, sagt Daniel Schierhold, Fanbeauftragter beim VfL 96.
TeBe Berlin: Fans gehen nach Konflikt mit Verein auf Reisen
Die Reise der heimatlosen Berliner ist das Ergebnis eines Konflikts, der 2016 seinen Anfang nahm. Damals stieg Jens Redlich, Chef einer Fitnesskette, als Geldgeber bei TeBe ein, übernahm 2017 dann auch den Vorstandsvorsitz. Der neue starke Mann will den Traditionsverein mit aller Macht in die Regionalliga führen, investierte bereits 2,5 Millionen Euro.
Neben seinem sportlichen Ziel zeigte Redlich aber wenig Interesse an dem, was TeBe für die Fans vor allem ausmacht: das gesellschaftliche Engagement gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie. Zugleich bemühte sich der Geldgeber um immer größeren Einfluss im Verein, weshalb unter anderem der Geschäftsstellenleiter, die Leiterin der Frauenabteilung und der Jugendleiter Tebe verließen oder verlassen mussten. Die Fans sehen daher nicht nur ihre Werte, sondern auch die Demokratie im Verein bedroht.
TeBe-Fans im „Caravan of Love“: Eine Zeitungsannonce war der Anfang
Der Konflikt eskalierte Januar 2019 bei einer Mitgliederversammlung, in der neue Aufsichtsräte gewählt wurden. Die Veranstaltung endete im Chaos, sogar die Polizei musste anrücken, weil Teilnehmer aufeinander losgingen. Die Fans erhoben den Vorwurf, Redlich hätte die Mehrheit gekauft, indem er Arbeiter als Neumitglieder zu Versammlung gekarrt hatte. Der Vorstandsvorsitzende bestreitet das. Dennoch setzten sich alle von ihm unterstützen Aufsichtsratskandidaten gegen die Kandidaten der Fans durch.
Die Anhänger wendeten sich daraufhin ab, boykottieren seitdem die Spiele von TeBe und brachten die „Caravan of Love“ mit einer Annonce in der Berliner „Fußball-Woche“ auf den Weg: „Kleine engagierte Fan-Szene mit dreistelligem Mobilisierungspotenzial sucht vorübergehend Verein, der für eine demokratische Kultur und gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie einsteht.“
VfL Halle meldete sich bei den Berliner Fans
Für den VfL 96 ist ein Sieg im Heimspiel gegen Hohenstein-Ernstthal „Pflicht“, wie Trainer René Behring betont. 24 Punkte hat Halle auf dem Konto, der Gegner aus Sachsen kommt auf 23 Zähler. Zu Platz 13, der zum Nichtabstieg reichen könnte, fehlt dem VfL ein Punkte. Positiv: „Wir spielen mit voller Kapelle, es sind alle da“, gibt Behring bekannt.
Auf die Anzeige meldete sich auch der VfL 96, unter anderem mit einem Facebook-Post. „Wir haben geschrieben, dass wir die Fanszene adoptieren, auch weil unsere Vereinsfarben blau und rot zusammen lila ergeben“, sagt Schierhold. Vor allem aber, weil sich die VfL-Fans, wie die Anhänger von TeBe klar gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie aussprechen.
„Daher gibt es auch schon seit Jahren Kontakte zwischen den Fanszenen“, erzählt Schierhold. So beteiligten sich die Hallenser an einer Aktion der Berliner gegen Homophobie. Später spielte eine Fanmannschaft bei einem Anti-Homophobie-Turnier von TeBe mit. Danach trafen sich die Fanszenen bei Testspielen zwischen den Oberliga-Mannschaften.
Und nun der Besuch der seit Januar Heimatlosen in Halle, beim abstiegsbedrohten VfL. „Ich hoffe, das gibt in der sportlich schweren Situation einen Schub“, sagt Fanbeauftragter Schierhold.
›› Mehr Informationen zum Konflikt bei TeBe: www.comeontebe.de (mz)