Sturm zerreißt Lettiner Seahorse Ranch Sturm zerreißt Lettiner Seahorse Ranch: Drei Pferde sterben im Unwetter

Halle (Saale) - Ein Wunder, nichts als ein Wunder. Am Tag nach dem Sturm steht Heiko Köcke vor den Trümmern seine Pferdeguts. Kein Zaun steht mehr, die Tiere sind geflüchtet, die abgeknickte US-Flagge auf der Lettiner Seahorse Ranch weht im Sommerwind. Das steinerne Wohnhaus auf dem Pferdegut hat eine Etage weniger. Ein Wunder: Kein Mensch kam in dieser Nacht ums Leben.
Vor dem Ranch-Haus liegen die Trümmer der Dachetage. Als hätte ein Riesenskalpell das Obergeschoss sauber abgetrennt.
Auf schwarze Wolke folgen Hagel und Wind
Hier unten im Erdgeschoss, im Clubzimmer, saß Ranch-Betreiber Köcke am Abend des Sturms. Erst kam die schwarze Wolke, dann der Hagel, dann der Wind. „Es krachte und krachte. Draußen flogen die Zäune, die Äste.“ Dann hob sich das Dach der Ranch - und einen Augenblick später stürzten die Mauern von oben auf den Vorplatz. „Es krachte in den Zimmerwänden, Risse taten sich auf. Doch ich konnte nicht raus“, sagt Köcke. „Bei diesem Sturm.“
Fünf Minuten lang bangte Köcke im Zimmer, dann verstummte der Lärm. Als er die Tür ins Freie öffnete, sah er Chaos: Ein Haus ohne Dachgeschoss, Pferde in Panik. Drei der 24 Tiere starben an den Folgen des Sturms. Fast 20 Kühe flüchteten in Angst durch zerrissene Zäune. Helfer trieben die verängstigten Tiere gestern zusammen, zäunten sie an Ort und Stelle provisorisch ein.
Die Horror-Nacht auf der Seahorse Ranch - es ist die Geschichte, die sich gestern rasend schnell in Lettin verbreitet. Jeder Bewohner hat vom Tod der Pferde gehört. Der Sturm hat diesen Stadtteil besonders hart getroffen: Ausgewachsene Bäume stürzten auf Straßen, zerschmetterten Autos, rissen Löcher in Fenster. Dachteile wurden zu Geschossen, zischten durch die Luft, flogen wie Dartpfeile in Hauswände. Kein Mensch wird getroffen: ein glücklicher Zufall. Und fast jedes Dach ist abgedeckt: Im Sorbenweg gibt es viele Häuser, über denen seit Dienstagabend nackte Holzgerippe im Wind zittern.
Der Sturm riss die Solaranlage vom Dach der Familie Barth, schildert Vater Detlef. Gefunden wurde sie bis zum Abend nicht. „Dieses Unwetter. Keiner von den Alten hier kann sich an einen Sturm dieser Art erinnern“, sagt er.
Gemeinsam mit Dutzenden Lettinern räumte er die Trümmer aus den Gärten und von der Straße, die Firma Papenburg stellte Schutt-Container an die Fahrbahn. Gegen 8 Uhr vormittags rückte der Krisenstab in den Sorbenweg ein: Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und Staatsminister Marco Tullner machten sich ein Bild von dem gebeutelten Stadtteil.
Dessen Bewohner schuften weiter - obwohl sie Schlaf brauchen. Die 25-jährige Stefanie Gühne schildert, wie sie vor dem Sturm in einen Bauwagen flüchtete - und dieser durch den Wind umgestürzt wurde. Sie saß in ihrem engen Gefängnis, draußen tobte das zerstörerische Unwetter. Nach einer halben Stunde befreiten Feuerwehrleute die Frau mit Kettensägen.
Neben der Seahorse Ranch demolierte die Windhose auch die Lettiner Pferdefarm und den Reiterhof Schurig. „Das kam so plötzlich - dieses Zerstörung war überhaupt nicht abzusehen“, sagt Jana Domski, Betreiberin des Reiterhofs. Um 40 Pferde von der Koppel in Sicherheit zu bringen, mussten die Tiere durch Lettin getrieben werden - im Sturm, in der Dämmerung, fast ohne Personal. „Zum Glück blieb es bei Schnittwunden“, sagt Domski. Auf der Lettiner Pferdefarm liegen vier Ställe in Trümmern, drei weitere sind stark beschädigt. Die Reithalle ist vollständig zerstört. Wie hoch die Schäden in Lettin wirklich sind, wird erst in Tagen sichtbar sein. (mz)


