Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ Stillsitzen ist nicht - Warum zwei Hallenser sich gern um andere kümmern
Christel Radke und Bernd Kümmel aus Halle haben wie so viele mit der Wende einen beruflichen Einschnitt erlebt – und etwas Gutes daraus zu machen versucht. Welchen Menschen sie helfen.

Halle (Saale)/MZ. - Da ist die Nachbarin, die zum Arzt muss und nicht weiß, wie. Oder der Bekannte, der um Hilfe beim Einstellen seines Fernsehers bittet, aber eigentlich nur einen Schwatz halten möchte. Es kann auch die wegen einer Erkrankung eingeschränkte alte Dame sein, die unbedingt in den Urlaub fahren möchte, sich die Reise allein aber nicht mehr zutraut. Ungezählten Menschen haben Christel Radke und Bernd Kümmel in den in mehr als zwei Jahrzehnten geholfen, stets ehrenamtlich und ohne viel Aufsehen darum zu machen. Wegen dieses Engagements sind die Eheleute aus Neustadt jetzt für den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ nominiert.
Einerseits freuen sich beide über diese Ehre, andererseits halten sie ihren Einsatz nicht für außergewöhnlich. „Das ist über die Jahre so gewachsen“, sagt Bernd Kümmel. Er setzt sich regelmäßig ans Steuer, wenn eine Arztfahrt ansteht oder wenn Hausrat abzuholen ist – übrig geblieben, weil jemand ins Altenwohnen gezogen oder verstorben ist. Auf den Müll müssten viele Sachen deshalb längst noch nicht, finden Christel Radke und Bernd Kümmel – und meistens kennen sie jemanden, der die Sachen gut noch brauchen kann. Bernd Kümmel berichtet aus der Seniorenbegegnungsstätte im Falladaweg, wo er donnerstags Nachmittagsveranstaltungen mitorganisiert und auch Vorträge hält. Da gebe es immer mal Besucher, denen Mobiliar fehle oder Haushaltsgegenstände.
Alles anders nach der Wende
Das sei inzwischen Mund-zu-Mund-Propaganda, beantwortet der 80-Jährige die Frage, woher Hilfsbedürftige denn von der Hilfsbereitschaft der beiden Neustädter wüssten. Seine Frau berichtet über die Anfänge: In den 1990ern verlor sie, die Laborantin, ihre Arbeit bei den Leuna-Werken. Auch ihr Mann, Einkäufer beim VEB Karosseriewerke, war inzwischen ohne Arbeit. Für Christel Radke jedenfalls ergab sich, dass sie sich in der Alten- und Krankenpflege qualifizieren konnte. In einem Heim habe sie aber auf keinen Fall arbeiten wollen. Da sei es ihr schon damals zu lieblos zugegangen, sagt die 74-Jährige – und will damit nicht dem Personal zu nahe treten. Die Beschäftigten hätten einfach keine Zeit für das, was sie sich unter guter Pflege vorstelle.
Es folgte eine Zeit der Mitarbeit im Neustädter Kindergarten „Däumling“. Als diese Stelle auslief – „Ich wäre sehr gern geblieben. Mit meinen Kolleginnen von damals treffe ich mich heute noch“, sagt Christel Radke – fing sie bei einem Seniorenverein an, bis der sich auflöste. Seither betreuen beide Eheleute alte und behinderte Menschen rein ehrenamtlich.
Vor allem Kontakt halten
„Solange wir das noch können, machen wir das“, sagt Bernd Kümmel. „Wir können uns doch nicht hinsetzen und auf den Tod warten“, findet seine Frau. Viel zu sehr fühlen sie sich den von ihnen betreuten Menschen verbunden, „und man bleibt in Bewegung.“ Inzwischen spiele sich auch viel am Telefon ab: Kontakt zu halten sei ganz wichtig. Das gelte ebenso für Freundschaften. Natürlich auch mit liebevoll selbstgestalteten Karten per Post, gerade zu Geburtstagen und zu Weihnachten. „So ein Anruf ist schnell vorbei“, sagt Christel Radke. „Von so einer Karte können die Leute lange zehren.“
Ab sofort können MZ-Leser wieder Vorschläge machen, wer den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ für sein ehrenamtliches Engagement erhalten soll. Vorgeschlagen werden können sowohl Einzelpersonen als auch Vereine oder Organisationen sowie mehrere Engagierte, die in einem Projekt in Sport, Kultur oder im Sozialen vereint aktiv sind. Einzige Bedingung ist, dass das Ehrenamt in Halle oder dem Saalekreis ausgeübt wird. Eine Jury wählt die Preisträger aus. Einsendeschluss ist der 12. April 2025. Die Preisverleihung findet am Freitag, 13. Juni, im Neuen Theater statt. Moderiert wird sie wieder von dessen früherem Intendanten Matthias Brenner.