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Stadtteil Heide-Süd Stadtteil-Serie eine Stadt, feine Stadt: Heide-Süd - Idylle statt Panzer

Von Dirk Skrzypczak 27.02.2018, 07:00
Blick vom Grünen Dreieck über die Wohnhäuser zum Weinberg-Campus mit seinen Wissenschaftseinrichtungen. Heide-Süd steht für Idylle und Innovation.
Blick vom Grünen Dreieck über die Wohnhäuser zum Weinberg-Campus mit seinen Wissenschaftseinrichtungen. Heide-Süd steht für Idylle und Innovation. Holger John

Halle (Saale) - Gerhard Kotte ist einer der Pioniere in Heide-Süd. 1998 gehörte der heute 79-Jährige zu jenen Hallensern, die in den neuen Stadtteil gezogen sind. „Im Grünen Weg waren damals die ersten Häuser gebaut worden“, sagt Kotte. Er sitzt in seiner Küche, holt alte Zeitungsberichte und Fotos hervor und spricht über die Aufbruchstimmung vor 20 Jahren, als das monumentale Militärgelände zum großen Teil endlich abgerissen und die Altlasten beseitigt waren.

Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle vor: hier „Heide-Süd“

„Hier, wo wir jetzt sitzen, stand die hohe Mauer der Russenkaserne“, erzählt der promovierte Chemiker. Dass aus dem riesigen Kasernenareal einmal eines der attraktivsten Wohngebiete der Stadt werden würde, konnte seinerzeit niemand ahnen. Was nicht verwunderte, denn die Narben waren tief, die Landschaft ist geschunden gewesen.

Russische Streitkräfte verließen 1991 Halle

Gerhard Kotte, der gebürtige Naumburger, der 1958 nach Halle kam und zu den ersten Bewohnern der Neustadt zählte, hat auch aus beruflichen Gründen eine besondere Beziehung zu Heide-Süd. Für den Tüv Ostdeutschland hatte er nach dem Abzug der russischen Streitkräfte, die 1991 Halle verließen, die Sanierung des Geländes begleitet. „Die Kaserne war eine eigene Stadt mit einem eigenen Kraftwerk, Schienen, Straßen, den Unterkünften und auch großen Panzerhallen“, erzählt er.

Mitunter musste das Erdreich bis in eine Tiefe von acht Metern ausgetauscht werden. „Die Sowjets hatten Kesselwagen im Boden vergraben und sie als Tanklager genutzt.“ Auch Unmengen an Munition bis hin zu chemischen Kampfstoffen wurden gefunden und durch Spezialisten vernichtet. „Doch diese herrliche Lage und die Nähe zur Heide haben mich fasziniert. Also bewarben wir uns als Interessenten für eines der neuen Häuser und hatten Glück, weil andere, die schneller waren, noch abgesprungen sind“, sagt Kotte.

Heide-Süd ist zum Inbegriff der Idylle geworden

Zwei Jahrzehnte später ist Heide-Süd zum Inbegriff der Idylle geworden. Der Trubel der Großstadt ist hier nicht zu hören. 5.000 Menschen leben in Mehrfamilienhäusern oder Eigenheimen, genießen die Ruhe und die Aussicht vom Hügel im grünen Dreieck. Der Stadtteil ist beliebt, die Preise sind hoch. Für Eigentumswohnungen werden bis zu 2.300 Euro pro Quadratmeter verlangt. Und kostete der Quadratmeter Grundstück 1999 noch 120 Euro, geht heute unter 260 Euro nichts mehr.

Heiner Schneider hat die rasante Entwicklung von Heide-Süd aktiv mitgestaltet. Der Chef der Atelier Bau GmbH hat mit seiner Firma bislang 500 Häuser in Heide-Süd gebaut. „Das ist das modernste Wohngebiet in Halle und eines der begehrtesten noch dazu“, sagt er. Nur entlang der Scharnhorststraße ist noch Platz für neue Häuser. Dann sind alle Flächen vergeben. Nun, meint Schneider, gehe es darum, den Stadtteil noch attraktiver zu machen. Und so hat er die ehemalige Kirche der einstigen Provinzial- und Irrenanstalt erworben, ebenso das alte Verwahrhaus, ein mächtiges Gebäude.

Kirche in Heide-Süd soll ein Veranstaltungsort werden

Die Kirche soll ein Veranstaltungsort werden. Und in dem Neubau, den Schneider neben dem 1864 eingeweihten Gotteshaus plant, soll unter anderem eine Gastronomie eingerichtet werden. Ins „Verwahrhaus“ wiederum, das später die sowjetischen Streitkräfte als Krankenhaus nutzten (die Kirche diente den Militärs als Turnhalle), werden beispielsweise Ärzte, ein Friseur und auch die Sparkasse einziehen.

„Wir unterstützen die Investition“, sagt Gerhard Kotte, der im beruflichen Ruhestand alles andere als ruhig ist und sich in der Bürgerinitiative Heide-Süd engagiert. Und kämpfen für ihren Stadtteil können sie, die „Südler“: Als 2009 ein Investor eine Abfallverwertungsanlage hinter dem Weinbergcampus bauen wollte, um aus Klinikabfällen Lok-Öl zu produzieren, gingen die Menschen mit Erfolg auf die Barrikaden.

Bürgerinitiative: Wir sind durch Busse bestens ans den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen

2017 trat die Bürgerinitiative dann erneut in Erscheinung. Da machten Pläne der Stadt die Runde, Heide-Süd an das Straßenbahnnetz anzuschließen: „Der Unsinn hätte den Charakter des Stadtteils zerstört. Wir sind durch Busse bestens ans den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen“, sagt Geschäftsmann Schneider. Die Ausbaupläne hat die Stadt wieder beerdigt.

Mittlerweile wird die Idylle von Kriminellen bedroht: Einbrecher treiben hier ihr Unwesen. Die Lage hat sich derart zugespitzt, dass die Polizei ihre Präsenz mit uniformierten und zivilen Beamten erhöht und ein Bürgerbüro auch vor Ort eingerichtet hat.

Was fehlt? „Eine Grundschule“, sagt Gerhard Kotte. Doch die Kinderzahlen reichen nicht, um hier eine Schule zu bauen, argumentiert die Stadt. Deshalb wünscht sich Kotte eine bessere soziale Durchmischung in Heide-Süd. „Mietwohnungen wären gut, dann werden die Preise bezahlbarer“, sagt er. Doch dafür ist im Eigenheim-Viertel derzeit kein Platz. (mz)

Gerhard Kotte (links) und Heiner Schneider stehen vor der einstigen Anstaltskirche in Heide-Süd. Das Gebäude soll zu einem Begegnungs- und Veranstaltungsort werden.
Gerhard Kotte (links) und Heiner Schneider stehen vor der einstigen Anstaltskirche in Heide-Süd. Das Gebäude soll zu einem Begegnungs- und Veranstaltungsort werden.
Andreas Stedtler