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Stadtteil Bebelviertel Stadtteil Bebelviertel in Halle (Saale): Buchhandlung Jacobi & Müller ist hier eine Institution

Von Silvio Kison 05.12.2017, 07:00
Antje Jacobi und Raimund Müller in ihrer Buchhandlung am Harz.
Antje Jacobi und Raimund Müller in ihrer Buchhandlung am Harz. Silvio Kison

Halle (Saale) - Genau 20 Jahre ist es her, als Raimund Müller und Antje Jacobi den Sprung in die Selbstständigkeit wagten. Sie zogen in einen kleinen Eckladen am Harz und eröffneten in diesem Teil der Stadt ihre kleine Buchhandlung. In einem Viertel, das damals weder einen Namen hatte und schon gar nicht das Flair eines Szenekiez, das es heute versprüht.

Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle
vor: hier das Bebelviertel.

Fast wäre die Buchhandlung Jacobi & Müller im August-Bebel-Viertel gar nicht hierher gezogen

„Ich hatte mir mehrere Läden angeschaut“, sagt Raimund Müller. Den Eckladen am Harz hatte er sich nur deshalb angeschaut, weil er in der Nähe der Universität lag und in direkter Nachbarschaft zur Harz Mensa. Damals, im Jahr 1997, kamen Gerüchte auf, die Harz Mensa zu schließen. „Dann erzählte mir aber der damalige Chef des halleschen Studentenwerks, dass man die Mensa nicht schließen, sondern sogar erweitern wolle“, erinnert sich der 48-Jährige.

Perfekt, denn vor allem Studenten und Wissenschaftler hatten sie bei ihrem Konzept als zukünftige Kunden im Blick. Der ehemalige Eckladen allerdings war alles andere als perfekt: „Überall war grau an den Wänden und es gab unzählige Steckdosen“, so der gelernte Buchhändler. Fast hätte er die Idee wieder verworfen, in dem ehemaligen Telekomladen sein Geschäft aufzumachen.

Buchhandlung Jacobi & Müller in Halle (Saale):  Burg-Student entwarf die Inneneinrichtung

Dann aber kam seine Geschäftspartnerin Antje Jacobi: „Ich habe mich dort sofort wohl gefühlt und gewusst, dass es das Richtige ist“, sagt sie. Mit Hilfe von Familie und Freunden renovierten die Geschäftspartner, die sich beide bereits durch ihre Arbeit in einer Buchhandlung am Universitätsring kannten, die Ladenräume. „Die Inneneinrichtung hat ein Student der Burg Giebichenstein für uns entworfen“, sagt Müller. Bis heute steht diese im Geschäft, auch wenn der damalige Student Daniel Steps heute in New York Einrichtungen für Arztpraxen entwirft.

Buchhandlung als Konstante im Bebelviertel: In den vergangenen Jahrzehnten hat sich hier viel verändert

In den vergangenen 20 Jahren ist rund um die Buchhandlung herum viel passiert. „Damals gab es in unserer direkten Nachbarschaft nur eine Apotheke und einen Blumenladen“, erinnert sich Antje Jacobi. Die 70-Jährige hat in Leipzig Buchhandel studiert und ist von den Veränderungen begeistert. „Es sind viele neue Geschäfte in den vergangenen Jahren dazu gekommen“, sagt sie. Und auch wenn es die Apotheke und den Blumenladen nicht mehr gibt, so freut sie sich doch über die neuen Nachbarn. „Durch das neue Studentenwohnheim in der ehemaligen Zahnklinik ziehen Menschen aus allen Teilen Deutschlands und der Welt in das Bebelviertel“, ergänzt Raimund Müller, der genau gegenüber der Buchhandlung wohnt.

Bebelviertel in Halle (Saale): Nur das Haus der Identitären Bewegung stört den Frieden

Durch die relativ günstigen Mieten ziehe es viele jungen Familien und Studenten in das Viertel. „Es ist im Gegensatz zu früher bunter geworden“, freut sich Müller. Nur eins störe den Frieden: das Schulungshaus der rechten Identitären Bewegung (IB) in der Adam-Kuckhoff-Straße 16. „Ich finde es gut, dass es eine Initiative von Anwohnern gibt, die sich dagegen wehren“, sagt Müller.

Im Oktober hatte die Initiative einen offenen Brief mit Unterschriften von 120 Anwohnern veröffentlicht – auch Antje Jacobi und Raimund Müller haben den Brief unterschrieben.

Beide ärgern sich über die neuen Nachbarn, die so viel Unruhe in die ansonsten bunte, intellektuelle und offene Gesellschaft von Nachbarn bringen.

Bebelviertel in Halle (Saale): Vom Wohnviertel zum Szenekiez

Trotz aller Probleme mit den rechten Nachbarn überwiegt für beide Buchhändler die Begeisterung über das Bebelviertel. „Früher war es mehr ein Wohnviertel“, sagt Raimund Müller. Heute finde man hier alles, was man zum Leben braucht. „Man geht vor die Tür und alles ist da“, sagt er begeistert. Vor allem rund um den August-Bebel-Platz der zusammen mit der August-Bebel-Straße Namensgeber des Viertel ist, sei viel passiert. „In den letzten Jahren sind dort viele Kneipen und kleine Cafés entstanden“, sagt der 48-Jährige. Ein neuer Szenekiez ist entstanden, womit vor 20 Jahren bestimmt niemand gerechnet hätte.

Bebelviertel in Halle (Saale): Stammkunden bleiben ihrer Buchhandlung treu

Für die beiden Buchhändler aber hat sich auch viel verändert. „Die Studenten kaufen keine Bücher mehr für das Studium“, sagt Raimund Müller. Und auch die großen Buchhandlungsketten und die Online-Konkurrenz haben in den vergangenen Jahren den kleinen inhabergeführten Geschäften das Leben schwer. Allerdings beobachten die beiden auch, dass es seit einiger Zeit wieder aufwärts geht. „Man merkt, dass die Kunden wieder in die kleinen Läden zurück kommen“, sagt Antje Jacobi.

Und auch die Stammkunden bleiben ihrem Lieblingsbuchladen treu: „Viele, die als Studenten zu uns kamen, kommen heute mit ihren Kindern zu uns“, sagt Müller stolz. Denn auch das gehört zu diesem kleinen Buchladen: die Nähe zum Kunden, das gemütliche Flair. Hier ist man nicht nur zahlender Kunde, sondern auch ein willkommener Bekannter. Denn die beiden Buchhändler lieben ihren Job: „Ich bin Buchhändlerin aus Leidenschaft und so lange ich das noch bewältige, werde ich auch arbeiten“, sagt Antje Jacobi. Außerdem sei sie auch nach so vielen Jahrzehnten im Geschäft immer noch neugierig auf Bücher und auf Menschen. Und so wird sie zusammen mit Raimund Müller weiter für die Kunden da sein. (mz)