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Stadtmission im Steinweg Stadtmission im Steinweg: Offenes Ohr für auch außergewöhnliche Abenteurer

Von Anja Förtsch 07.01.2018, 07:00
Er ist für viele Hallenser in Not die Anlaufstelle: Sozialarbeiter Heiko Wünsch leitet die Wärmestube der Stadtmission im Steinweg.
Er ist für viele Hallenser in Not die Anlaufstelle: Sozialarbeiter Heiko Wünsch leitet die Wärmestube der Stadtmission im Steinweg. Holger John

Halle (Saale) - Punkt 12 Uhr, Heiko Wünsch stellt sich hinter den Tresen im Steinweg 43, beginnt zu erzählen und die Menschen an den vier vollbesetzten Tischen hören ihm gebannt zu. Wünsch hält die Mittagsandacht, ein fester Bestandteil vor dem Mittagessen in der Wärmestube der Evangelischen Stadtmission Halle. Und die ist für viele Menschen ein wichtiger Anlaufpunkt - gerade in der kalten Jahreszeit.

Essen und Tee für wenig Geld

„Die Leute können daran teilnehmen, aber sie müssen nicht“, sagt Wünsch. Der Hallenser arbeitet seit Jahren im sozialen Bereich, seit Februar 2017 leitet er die Wärmestube. Dort finden die Menschen Zuflucht, bekommen für ein paar wenige Cent Essen und Tee - und vor allem soziale Kontakte und Beratung. „Wir schicken niemanden weg. Lieber schieben wir eine andere Aufgabe“, sagt Wünsch. „Jeder, der zu uns kommt, kann die Beratung nutzen. Auch ohne Termin, dann muss man nur eben vielleicht ein bisschen warten.“

Diese Beratung richtet sich an alle, denen der Wohnungsverlust droht, die sich in einer Lebenskrise befinden, psychosoziale Probleme haben oder obdachlos sind. Und das kann schneller gehen, als man denkt, weiß Sozialpädagoge Wünsch: „Jeder Mensch hat ganz individuelle Probleme, jeder kann beispielsweise von einem Tag auf den anderen seinen Job verlieren oder psychisch erkranken.“ Dementsprechend unterschiedlich sind die Menschen, die in die Wärmestube kommen: Menschen, die aus der Haft entlassen wurden, aus dem Maßregelvollzug, die aus dem Drogenmilieu stammen, die körperbehindert sind oder an einer unbehandelten psychischen Erkrankung leiden. Aber auch ehemalige Obdachlose, denen die Wärmestube und der Kontakt zu den Sozialarbeitern ein Stück Sicherheit geben, und Rentner, die sich einsam fühlen. Auch wenn die Besucher teils aus dem gesellschaftlichen Rahmen fallen, Probleme mit den Nachbarn habe es noch nie gegeben.

Keine Bedürftigkeitsprüfung

Und bisweilen kommen auch ganz außergewöhnliche Menschen: „Vor einiger Zeit hatten wir einen Rucksacktouristen aus Österreich hier“, erzählt Wünsch. „Er kam auf seiner Reise durch Europa auch durch Halle und hatte hier seine ganzen Papiere und Ausweise verloren.“ Wünsch und sein Kollege René Pietsch, der ebenfalls Sozialarbeiter ist, kümmerten sich dann darum, dass der Mann neue Unterlagen bekam, telefonierten etwa mit der Botschaft. „Inzwischen ist er schon in Dänemark - zu Fuß“, erzählt Wünsch lachend.

In der Wärmestube gibt es keine Bedürftigkeitsprüfung. „Wir fragen am Eingang nicht nach irgendwelchen Behördenbescheiden“, so Wünsch. Im Schnitt kommen am Tag 20 bis 25 Klienten. „Wie lange sie bleiben und wie oft sie kommen, das ist völlig unterschiedlich.“ Manche hätten den Besuch in der Einrichtung fest in ihren Tagesablauf integriert, manche würden auch nur so lange kommen, wie ihre Notsituation andauert.

Von selbst funktioniert das alles freilich nicht. „Ohne Spenden könnten wir nicht weiterexistieren“, sagt Wünsch. Gerade vor Weihnachten hätten viele Menschen Lebensmittel wie Kaffee oder Tee gespendet. Sachspenden würden aber auch immer benötigt, demnächst soll es eine Liste auf der Homepage geben, damit Menschen, die helfen wollen, sehen, was gebraucht wird. Aber nicht nur materielle Hilfe ist willkommen: „Wir sind dankbar für jedes ehrenamtliche Engagement“, sagt der Sozialarbeiter. „Mit den Leuten sprechen, Skat spielen, vielleicht einen kleinen Vortrag mit Urlaubsfotos aus Ländern halten, in die unsere Klienten selbst nicht kommen, Musik vorspielen oder mit den Menschen singen - all das ist super.“

››Wer helfen möchte, erreicht die Wärmestube unter 0345/1715790 oder per Mail an [email protected]. (mz)