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Stadtgeschichte von Halle Stadtgeschichte von Halle: Passendorf macht das Rennen

Von Silvia ZÖLLER 27.04.2014, 18:16
Viele Jahre war Neustadt eine Baustelle.
Viele Jahre war Neustadt eine Baustelle. archiv/ValentiN Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Nicht 50 Jahre, sondern noch rund fünf Jahre älter ist die Geschichte von Halle-Neustadt. Denn bereits Ende der 50er Jahre gab es Überlegungen, ein Wohngebiet für Chemiearbeiter von Buna und Leuna entstehen zu lassen. Zwischen 1961 und 1963 lief die Planung an: 19 Standorte wurden damals geprüft, nicht nur rund um Halle, sondern auch bei Leipzig. Letztlich bekam Passendorf den Zuschlag: Hier gab es genug freies Ackerland. Und auch die Windrichtung stimmte. Denn, so erzählte Harald Zaglmaier, der frühere Stellvertreter von Chefarchitekt Richard Paulick, vor einiger Zeit bei einem Zeitzeugengespräch, von den Südwestwinden erhoffte man sich die wenigste Luftverschmutzung für das neue Wohngebiet.

Im September 1963 legte das SED-Politbüro den Standort bei Passendorf fest. Und schon einen Monat später wurde Richard Paulick (1903-1979) als Chefplaner berufen. Der gebürtige Roßlauer war nach seinem Architekturstudium von 1927 bis 1928 Assistent von Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Als Sozialist emigrierte er 1933 nach Shanghai und lehrte dort als Hochschuldozent. Ende der 40er Jahre kehrte er in die DDR zurück. Er leitete den Wiederaufbau Dresdens und punktete so für die neue Aufgabe in Halle.

Modern, das hieß mit Schule, Krippe, Einkaufsmöglichkeiten

Die Pläne, die in einer Direktive festgehalten wurden, waren groß: Innerhalb von zehn Jahren sollte die neue, moderne Stadt für zunächst 70.000 Einwohner gebaut werden. Modern, das hieß, dass Schule, Krippe, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte ganz in der Nähe der eigenen Wohnung waren und die S-Bahn eine schnelle Verbindung nach Buna ermöglichte. 1,3 Milliarden Mark stellte die Regierung hierfür zur Verfügung.

Auch kulturell sollte die neue Chemiearbeiterstadt ein Zentrum werden: Ein Kulturhaus mit einem Konzertsaal für 2.000 Gäste waren geplant. Außerdem sollten die Philharmonie und die drei Puppenbühnen im Kulturhaus eine neue Wirkungsstätte finden. Doch das ist nie verwirklicht worden, ebenso wie das 100 Meter hohe Chemiehochhaus, das als markantes Bauwerk über Neustadt leuchten sollte. Von hier aus hätten die Betriebe in Leuna und Buna geleitet werden sollen. „Am Ende standen die Kosten der Realisierung entgegen“, schreibt Peer Pasternack in seinem Buch „Streitfall Neustadt“. Das Hochhaus wurde später als Uniturm in Jena gebaut.

Schon im Dezember 1963 rückten die ersten Bagger im Wohnkomplex I an, dem heutigen Areal in der Nähe des Taubenbrunnens. Ab Januar 1964 wurden im Plattenwerk die ersten Teile für die Wohnungen produziert. Und die Verkehrsströme in die Stadt, die noch keine war, nahmen immer mehr zu: Im Mai 1964 wurde eine Buslinie vom Ernst-Kamieth-Platz nach Halle-West eingerichtet. Am 15. Juli 1964 war die Grundsteinlegung der neuen Stadt.