Stadtgeschichte Stadtgeschichte: Odyssee eines freien Geistes aus Halle
Halle/MZ - In der DDR wurden sie totgeschwiegen, weil sie sich nicht konform zum politischen System verhielten. Zu Hunderten wurden Kulturschaffende ausgewiesen, vergrault oder abgeschoben - darunter so bekannte Autoren wie Wolf Biermann, Reiner Kunze, Günter Kunert oder die Ex-Hallenser Sarah Kirsch und Klaus Poche. Weniger Bekannte mussten im Westen den literarischen Neuanfang versuchen und gerieten darüber in ihrer Heimat in Vergessenheit. Bis heute. Einer von ihnen ist Peter Josef Budek.
Er legte eine beeindruckende Karriere hin: Am 5. Juni 1940 in Diemitz (heute Halle) geboren und ab 1949 in der Stadt aufgewachsen, arbeitete Budek zunächst als Chemielaborant in den Leuna-Werken, bevor er 1960 über die Arbeiter- und-Bauern-Fakultät in den Franckesche Stiftungen auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur erlangte. Anschließend studierte er Theater und Musik in Halle und in Ost-Berlin.
Budek zur Kündigung gezwungen
Seine berufliche Laufbahn begann als Regieassistent am Leipziger Opernhaus, ab 1967 wirkte Budek dann als Musikdramaturg des DDR-Fernsehens und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Musiktheater in Ministerium für Kultur. In dieser Position trieb der Hallenser die Entwicklung eines zweiten ostdeutschen Fernsehsenders maßgeblich mit voran – geriet aber in dieser Führungsposition schnell in Konflikt mit der Obrigkeit: Als sich Budek 1978 weigerte, sein Lob für eine kritische Inszenierung von Brigitte Reimanns „Franziska Linkerhand“ am Schweriner Theater zurückzunehmen, wurde er zur Kündigung gezwungen.
Budek versuchte sich in den Folgejahren als freier Autor, doch seine zahlreichen Stücke und Opern wurden unterdrückt und nicht aufgeführt. Auch seine Strittmatter-Bearbeitung von „Ole Bienkopp“, die 1979 am Landestheater Halle aufgeführt werden sollte, fiel der Zensur zum Opfer. Enttäuscht über diese Beeinträchtigung trat der auf diese Weise mundtot Gemachte nach über 20-jähriger Mitgliedschaft 1981 aus der SED aus. Daraufhin ließ der Parteiapparat die Muskeln spielen, verweigerte Budeks Tochter die Zulassung zum Abitur und verhängte über den Autor 1982 ein Berufsverbot. Budek aber ließ sich nicht entmutigen. Er schlug sich als Packer durch und stellte in dieser Zeit kontinuierlich Ausreiseanträge.
Als er sich dann auch noch in der aufziehenden Friedens- und Umweltbewegung in der DDR engagierte und besonders mit dem Gedicht „Laudatio auf den Jahrgang 40“ auf Missstände in dem sozialistischen Staat hinwies, wurde der unbequeme Autor im Oktober 1983 verhaftet und im Januar darauf zu 17 Monaten Haft verurteilt – wegen „Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit“.
Doch Budeks Gefängnisaufenthalt währte nur kurz, denn die DDR war vieler ihrer Kritiker überdrüssig geworden und schob ihn - wie etliche andere in diesen Jahren - gegen harte Devisen in jenem schwunghaften sozialistischen Menschenhandel namens Freikauf im Mai 1984 in den Westen ab. Budeks Familie folgte ihm dann noch im Juli desselben Jahres.
Erfolgreichster Dokumentarfilm wurde in der Heimat verboten
Budeks Theaterstücke sind heute nahezu unbekannt, auch seine kurz nach der Abschiebung im Westen veröffentlichte Erzählung „Die Frau mit der Reisetasche“ (1985) erreichte nur ein kleines Publikum. Dennoch konnte der Hallenser Akzente setzen – wenngleich auch nicht in der DDR: Sein erfolgreichster Dokumentarfilm, „Der Kreuzchor Dresden“ (1965), wurde in seinem Heimatland verboten, dafür aber als Devisenbringer in über 50 Länder verkauft.
Budeks Odyssee führte ihn über Bayern nach Berlin, wo er inzwischen lebt. Er arbeitet als Journalist und betätigt sich zudem in Lesungen und Vorträgen als Zeitzeuge, der viel über die Kulturpolitik im geteilten Deutschland zu erzählen weiß: Das ist ein wichtiges Thema zum Verständnis des Weges hin zur deutschen Einheit.