Sozialbestattungen in Halle Sozialbestattungen in Halle: Wenn das Amt die Beerdigung übernimmt

Halle (Saale) - Keine Tränen, keine Abschiedsgrüße, niemand trauert. Da ist nur die einsame Stahlurne auf einem Podest. Um sie herum flackern Petroleumkerzen zwischen Plastikgrün. Wäre da jemand, würde die Melodie des Filmes „Die fabelhafte Welt der Amelie“ vom Band erklingen. Totenstille. Niemand ist gekommen, wie so oft bei „Sozialbestattungen“ in Halle.
Sozialbestattungen in Halle: 146 Personen 2015 von Amt bestattet
Stirbt ein Hallenser ohne Angehörige oder weigern sich Verwandte, sich um ein Begräbnis zu kümmern, übernimmt das Ordnungsamt die Beisetzung. Von 3.019 Personen, die 2015 in Halle gestorben sind, wurden 146 von Amts wegen bestattet. 2014 gab es in Halle 150 solche Sozialbestattungen, 2013 sogar 154. Im vergangenen Jahr kostete das die Stadt 195.000 Euro. Ob es jemanden gibt, der „bestattungspflichtig“ ist, ermittelt die Stadt. „Die erste Suche nach Angehörigen beginnt beim Standesamt des letzten Wohnortes und kann sich auf andere Städte ausdehnen“, so ein Sprecher. Taucht erst später ein Angehöriger auf, können die Bestattungskosten von ihm zurückverlangt werden. Bundesweit steigt laut einer dpa-Umfrage die Zahl der Amtsbestattungen.
Möglicher Grund für Sozialbestattungen: Familiäre Bindungen sind heutzutage nicht mehr so fest
In Halle sank sie zuletzt zwar leicht. „Auf lange Sicht bemerken wir aber auch einen Anstieg“, sagt Susann Wanasky vom Bestattungsunternehmen Pietät Halle Bestattungen. „Ich nehme an, dass die familiären Bindungen heutzutage nicht mehr so fest sind“, sagt sie. Jahrelang war Pietät Halle Bestattungen für die Sozialbestattungen zuständig. „Das ist schon besonders traurig, wenn nach einem ganzen Leben niemand mehr da ist oder sich keiner dafür interessiert“, sagt Wanasky. Alle zwei Jahre wird der Auftrag für Sozialbestattungen von der Stadt ausgeschrieben.
Zurzeit kümmert sich die Firma Kroon-Bestattungen um die, die ganz allein sterben. „Es gibt leider viele Fälle, in denen die Angehörigen einfach keine Lust haben, die Bestattung zu organisieren. Respekt und Anstand bedeuten heute einigen nicht mehr viel“, sagt Bestatter Andre Kroon. Auch dann springt das Ordnungsamt ein, denn spätestens zehn Tage nach dem Tod muss ein Mensch laut Bestattungsgesetz beigesetzt sein. Unwillige Angehörige erwartet im Nachgang die Rechnung.
Meisten Sozialbestattungen in Halle sind Feuerbestattungen
„Die meisten Sozialbestattungen sind Feuerbestattungen“, so Kroon. Nur wenn eine Verfügung gefunden wird oder der Verstorbene nachweislich einer bestimmten Religion angehörte, gebe es Erdbestattungen. „Ich schätze, neben 300 Feuerbestattungen gibt es vielleicht drei bis fünf Erdbestattungen in zwei Jahren“, sagt Wanasky. Der Sarg für die Feuerbestattung sei einfach, „unlackiert, ohne Schnitzereien“, so die Bestatterin, das Notwendigste eben.
Die Kosten sollen sich im Rahmen halten. Auf Trauerredner und Blumengestecke wird deshalb verzichtet. Kroon hat violette Stahlurnen für die Verstorbenen ausgewählt. „Wir geben uns Mühe, dass alles trotzdem würdevoll abläuft.“ Seine Mitarbeiter schmücken jedes Mal den Urnenübergaberaum. Alles soll gut aussehen, ob nun jemand dabei ist oder nicht. „Manchmal kommt es vor, dass Freunde oder Nachbarn doch noch kommen“, sagt Kroon.
Sozialbestattungen in Halle sind in 20 Minuten „erledigt"
In Halle ist eine Wiese auf dem Gertraudenfriedhof für alle einsam Gestorbenen vorgesehen. Dort trägt Andre Kroon die Urne vom Übergaberaum über den Friedhof. Völlig allein schreitet er im Talar mit der Urne vor seinem Bauch die Wege entlang. Vor einem Loch in der Wiese macht er Halt, hält die Urne an der Schlaufe und lässt sie langsam in die Tiefe sinken. Dann hält er inne, senkt den Kopf. Vorbei. In 20 Minuten ist die Beisetzung erledigt. Ist der Bestatter außer Sichtweite, schließt eine Mitarbeiterin des Friedhofes das Grab und nimmt die Schale mit Rosenblättern mit. Die Schale steht wie so vieles andere bei Sozialbestattungen bereit, falls doch noch jemand kommt. In dem Fall liefe Musik vom Band, Kroon würde ein paar letzte Worte sprechen.
Sozialbestattungen in Halle: Nichten und Neffen sind nicht bestattungspflichtig
„Wer Geld auf dem Konto hat, wenn er stirbt, ist davor auch nicht gefeit“, sagt Wanasky. Gibt es niemanden, der die Organisation des Begräbnisses in die Hand nehmen kann oder will, übernimmt das die Stadt. „Nur weil jemand erbt, heißt es ja noch lange nicht, dass er die Bestattung vorbereiten will“, so Wanasky. Zudem sind nicht immer die, die erben, auch bestattungspflichtig, Nichten und Neffen zum Beispiel seien von der Pflicht ausgenommen. „Deshalb ist es wichtig, einen Bestattungsvorsorgevertrag zu machen“, empfiehlt die Bestatterin. „Eine Willenserklärung im Testament reicht nicht, denn eh das eröffnet wird, liegt der Verstorbene schon unter der Erde.“
Es passiere zum Beispiel häufig, dass ein Ehepartner nicht in das Familiengrab komme, weil nichts dazu festgehalten ist. Statt neben seinem Partner liegt er dann auf der Wiese des Gertraudenfriedhofes. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der eigenen Beerdigung sei deshalb wichtig, so Wanasky. Noch passiere das viel zu selten. (mz)
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