Sozialarbeiter schlagen Alarm Sozialarbeiter schlagen Alarm: Zahl der Problemspieler steigt

Halle (Saale) - „Glücksspieler sind geborene Jäger“, sagt Annett Hausdorf von der Fachstelle für Pathologisches Glücksspiel. Sie ist Ansprechpartnerin für die Betroffenen in der Region. Seit 2008 existiert dafür in Halle die fachspezifische Beratung, ein länderfinanziertes Projekt der Awo-Suchtberatung. Etwa 60 Betroffene aus Halle und dem Saalekreis haben dieses Angebot im vergangenen Jahr genutzt. In diesem Jahr wird sich die Zahl in einem ähnlichen Rahmen bewegen. Die Hälfte davon wird über Neuzugänge erwartet, denn die Zahl der Suchtkranken wächst stetig.
Etwa 500.000 Menschen betroffen
Laut Bundesgesundheitsministerium sind ungefähr 500.000 Menschen von dieser Erkrankung betroffen, die seit mittlerweile 15 Jahren auch durch die deutschen Renten- und Krankenversicherungen als eben solche eingestuft wird. Die Dunkelziffer der Betroffenen wird aber als sehr viel höher eingeschätzt, denn „Glücksspieler kommen oft erst, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“, erklärt Hausdorf. Das bedeutet, Jobverlust, finanzielle und private Probleme sowie mitunter auch kriminelle Tatbestände sind dem häufig bereits vorausgegangen. Der Besuch in der Beratungsstelle ist dann schon der nächste Schritt. Zu diesem Zeitpunkt haben in manchen Fällen bereits erste Gespräche mit Angehörigen stattgefunden. Die Beratung versteht sich auch als Anlaufstelle für diese Personen. Im vergangenen Jahr haben diese etwa 15 Beteiligte genutzt.
40, männlich, mit Beruf
Glücksspielsucht ist eine Krankheit, die den Betroffenen äußerlich nicht auf den ersten Blick anzumerken ist.
Auch den typischen Glücksspieler gibt es nicht. Dennoch ergeben sich laut Haudorf statistische Häufigkeiten. In der Regel handelt es sich um männliche Personen mit einem Durchschnittsalter um die 40 Jahre. Zudem sind sie häufig adrett gekleidet und haben einen guten Beruf. „Das äußere Erscheinungsbild deckt sich nicht mit dem inneren Erleben“, so die Expertin, oft seien Glücksspieler auch gekennzeichnet durch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung oder Symptome einer Depression. In etwa 60 bis 80 Prozent der Fälle stößt man auf eine zusätzliche psychische oder psychiatrische Störung. „Insbesondere Frauen sind hoch belastet mit persönlichen biografischen Themen“, erläutert Hausdorf ihre Erkenntnisse aus 20 Jahren Berufserfahrung. Oftmals war deren Kindheit geprägt durch Gewalt- und Missbrauchserfahrungen. Über das Glücksspiel haben die Betroffenen eine Kompensation gefunden, um Themen zu verdrängen.
Glücksspieler lehnen Hilfe oft ab
Die Beratungsstelle versteht sich in ihrer Arbeit als Drehscheibe. Hilfe wird nicht nur im Rahmen von persönlichen Gesprächen, über telefonische Krisenberatung oder ein geschütztes Internetportal angeboten, auch stationäre Aufenthalte und therapeutische Maßnahmen können vermittelt werden. Dennoch neigen Glücksspieler dazu, die Hilfe schnell abzulehnen. Hausdorf verweist daher auf die Notwendigkeit einer inneren Bereitschaft. Regelmäßig nehmen Betroffene den Kontakt auch nach einer mehrjährigen Kontaktpause wieder auf. Besondere Aufmerksamkeit erregen die jungen Glücksspielsüchtigen. Minderjährigen ist der Aufenthalt in Spielhallen verboten, doch die Einhaltung der Gesetzlichkeiten wird nur unzureichend umgesetzt und kontrolliert. „Im ländlichen Saalekreis erfüllen Spielotheken zunehmend die Funktion von Jugendfreizeittreffs“, mahnt Hausdorf. Daher sieht sie die Aufklärung als einen großen Baustein. (mz)