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Mit Tarnfleck-Uniform im Wald Softair-Team aus Halle (Saale): In der Heide wird in Tarnklamotten geschossen

Von Julia Rau 11.02.2018, 08:00
Die Softair-Spieler haben auf ihrem Gelände in der Heide mehrere Barrieren aufgebaut, die Deckung bieten.
Die Softair-Spieler haben auf ihrem Gelände in der Heide mehrere Barrieren aufgebaut, die Deckung bieten. Holger John

Halle (Saale) - Eben hatten noch alle gemeinsam Witze gerissen, und dann schießt Hoffi auf Max: „Hit!“. Verdammt. Noch einer weniger. Max reißt einen Arm hoch, den Kopf hält er unten. Er trottet zum Spielfeldrand, dort muss er bei dem weißen Plastikstuhl warten, weil er angeschossen wurde.

Schüsse in der Heide: Team „Zebrafüxe“ trainiert Softair

Max und Hoffi sind Mitglieder in Halles einzigem Softair-Team, den „Zebrafüxen“. Die Hobby-Schützen trainieren in der Heide auf einem kleinen, eingezäunten Trainingsgelände, in das sie Hindernisse und Schutzwände aus Sperrholz gestellt haben, hinter denen man sich verschanzen kann.

In Deckung bleiben hilft im Spiel allerdings nicht viel, denn irgendwo schleicht sich ja doch wer an. Zwischen dem braunen Gestrüpp und den Bäumen verschwinden die Spieler in Tarnfleck und beige. „Der ist oben links“ sagt der Getroffene. Waffe an die Schulter, vorsichtig den Kopf hinter den alten Ölfässern vorstrecken und kurz gucken. Wenn es geht, ohne zu viel von sich selbst zu zeigen. Niemand da.

Softair oder Air-Soft ist ein taktisches Geländespiel. Im Prinzip geht es darum, Mitspieler mit einer Waffe zu treffen. Diese feuern mit Druckluft oder einem Elektromotor kleine Kügelchen ab.

Soft-Air-Waffen sind Anscheinwaffen, sehen also aus wie echt. Sie dürfen laut Gesetz nicht in der Öffentlichkeit getragen werden, auf einem entsprechenden Gelände aber schon. Nur Volljährige dürfen Waffen erwerben, die mit über 0,5 Joule schießen.

Ähnliche Spiele sind Gotcha oder Paintball, bei denen mit Farbkugeln geschossen wird. Beim Lasertag wird mit Laserwaffen auf Sensoren geschossen, die die Spieler tragen.

Ein erstes Klimpern und dann Donnerrasseln der Kügelchen auf dem Metall bestätigen dutzendfach das Gegenteil. Da ist jemand. Jetzt noch einmal zu gucken wäre unvorsichtig. Einen zweiten Blick riskieren geht nur mit Feuerschutz. Also Waffe anlegen und los.

Softair-Team aus Halle: Wer getroffen wird, muss auf den Gartenstuhl

Feuer mit Feuer. Kaum ist die AK 47 im Anschlag und der Finger am Abzug, fliegen schon weiße Kugeln aus dem Gebüsch auf der Anhöhe. „Hit!“

Getroffen, ab zum weißen Gartenstuhl, neben dem Kessi sitzt. Sie ist die Leiterin der Gruppe, „hat sich so ergeben“, nach eigenen Aussagen die beste Schützin der Runde. Sie hat zum ersten Mal Hund Benny dabei. „Der soll mit auf Events kommen und sich daran gewöhnen“. Hund Benny stromert auf dem Gelände umher, besucht schwanzwedelnd Schützen in ihrem Versteck.

Softair-Team aus Halle bekommt etliche Anfragen 

Den Verein „Zebrafüxe“ gibt es seit 2009, heute hat er sechs Mitglieder zwischen 18 und 48. „Wir haben vorher am Rechner gezockt und nach irgendwas gesucht, dass so viel Spaß macht, aber draußen stattfindet“, sagt David Libowski, den hier alle Dibo nennen.

Zwei-, dreimal im Monat fährt die Gruppe zu einem Event, oft nach Polen und Tschechien. „Da ist die Szene viel größer“, sagt Daniel. Dort treffen sich dann Teams, die gegeneinander spielen. Eine Liga gebe es nicht. Zur Zeit gibt es bei der Soft-Air-Truppe etliche Anfragen. „Die Anwärter haben ein halbes Jahr Probezeit, in der sie gucken können, ob es ihnen Spaß macht“, sagt Kessi.

Softair gleich Kriegsverherrlichung?: „Alles Quatsch“ 

Minderjährige werden nicht aufgenommen, „allein weil wir oft mit den Autos unterwegs sein müssen“. Nach fünf Runden ist das Spiel in der Heide zu Ende und alle K.O. Die Waffen wiegen bis zu acht Kilogramm. Sie sind echten Waffen nachempfunden, weswegen der Softair-Gemeinschaft oft nachgesagt wird, sie würde einen kriegsverherrlichenden Sport zelebrieren oder Amokläufe simulieren.

„Alles Quatsch, das ist ein Sport wie das Schießen auch einer ist. Wir haben Krankenpfleger und Handwerker im Verein, die keiner Fliege etwas zuleide tun. Hier glorifiziert niemand Gewalt oder Krieg“, sagt David. Er zum Beispiel habe immer schon gern Shooter-Spiele am PC gezockt und dann etwas gesucht, bei dem man ähnlich taktieren und in Teams gegeneinander spielen kann. Nur eben draußen und mit anderen statt alleine vorm Rechner.

Softair in Halle: Warum überhaupt die Militär-Uniformen und Tarnfleck-Klamotten?

Möglich, dass Außenstehende das anders beurteilen, wenn sich die Spieler in Bundeswehr-Tarnfleck Magazine in ihre Gürteltasche stecken oder Kalaschnikows anlegen. Warum überhaupt die Militär-Uniformen und Tarnfleck-Klamotten? „Das hat ganz praktische Gründe: in denen ist man am besten getarnt in der Umgebung“, so David.

Kaufen könne man ausgemusterte Armeesachen überall online oder in Softair-Shops. Die Waffen sind legal verkäuflich, ab 150 Euro ist man dabei. „Wir schießen hier mit 0,5 Joule, da verletzt sich kein Mensch, weil wir zudem Schutzkleidung tragen und nicht auf den Kopf schießen“, erklärt David.

Softair-Team aus Halle: „Bundeswehrsoldaten spielen am schlechtesten.“

Tatsächlich würde man auch ohne dicke Pullis wenig von den Lactat-Geschossen spüren, die nicht härter aufprallen als eine Erbse aus einer Zwille. Zur Sicherheit wird dennoch nicht aus geringen Abständen geschossen.

„Unter drei Meter ruft man einfach Peng.“ Max und die anderen rufen nie Peng. Sie entdecken ihre Gegner lange bevor jemand auf drei Meter ran kommen kann. Im Gefecht gilt: Der Schütze hat immer Recht. So kann niemand Treffer abstreiten. „Bundeswehrsoldaten spielen am schlechtesten“, sagt ein Vereinsmitglied „denn die wollen überleben“. (mz)

Teamleiterin „Kessi“ Kassandra Kolditz nennt die anderen „ihre Jungs“ und behauptet, am besten zu schießen. Hund Benny soll mit auf Events.
Teamleiterin „Kessi“ Kassandra Kolditz nennt die anderen „ihre Jungs“ und behauptet, am besten zu schießen. Hund Benny soll mit auf Events.
Holger John