Simone Dietl Simone Dietl: Frau Puppendoktor aus Halle

Halle (Saale) - Sie begleiten Simone Dietl seit ihrer Kindheit: Puppen. Vermutlich geht es der Hallenserin da wie vielen anderen Frauen. Denn wer hatte nicht mindestens eine Lieblingspuppe? Oder hat sie vielleicht sogar noch? Bei Simone Dietl hat die Liebe zur Puppe die Kindheit überdauert. Mehr noch - im Grunde hat Simone Dietl sogar ihre Kindheitsliebe zum Beruf gemacht. Denn die 54-Jährige ist das, was ältere DDR-Fernsehzuschauer noch aus ihrer Kindheit kennen: Frau Puppendoktor Pille mit der großen, klugen Brille.
Dabei sieht sich Simone Dietl keineswegs als übertriebene „Puppenmutter“. „Ich bin nicht so eine, die zig Puppen auf der Sofalehne sitzen hat“, lacht sie - und nennt eine fast unscheinbare, aber sehr niedliche „Nuckelpuppe“ aus DDR-Zeiten als ihre erste und damit älteste Puppe. 48 Jahre ist sie alt, geschenkt bekommen hat sie die Puppe mit weichem Stoffkörper und Nuckeldaumenhänden zu ihrem sechsten Geburtstag. Sieben Puppen insgesamt, alle selbst „zerspielt“, gehören heute noch zum Haushalt von Simone Dietl - nicht eben viel für jemanden, in dessen Leben Puppen eine große Rolle spielen.
Viele Jahre hat Simone Dietl als Gebrauchswerberin gearbeitet
Viele Jahre hat Simone Dietl als Gebrauchswerberin gearbeitet, lange Zeit auch als Ausbildungsleiterin. Doch zu Puppen habe sie sich immer hingezogen gefühlt. „Puppen sind für mich eine Herzenssache“, sagt die sympathische Frau Puppendoktor, die wie das TV-Vorbild eine Brille trägt - allerdings in modischem Rot statt kreisrunder Riesenbrillengläser in schwarzer Fassung wie die damalige „Puppenärztin“.
Schon als Kind hat Simone Dietl ihre Puppen nicht nur selbst bestrickt und ihnen Kleider, Hosen und Jacken genäht, sondern ihre Lieben auch eigenhändig repariert. „Ich war da schon damals ziemlich geschickt“, meint die Puppen-Liebhaberin, die dank ihres Berufes fast alles an den dafür nötigen handwerklichen Fähigkeiten beherrscht. Puppen und auch dieses und jenes Kuscheltier zu reparieren, ist für Simone Dietl nun inzwischen zwar zu einem Beruf, eher aber noch zu einer Berufung geworden. „Es ist für mich keine Arbeit im herkömmlichen Sinne, sondern ein angenehmer Verdienst, bei dem ich anderen sogar noch eine Freude machen kann“, sagt Simone Dietl.
Umringt von Puppenkörpern, denen mal ein Arm, mal ein Bein oder gar ein Auge fehlt
Betritt man den kleinen Laden in der Oleariusstraße, findet man die Inhaberin meist im hinteren Teil des Geschäfts, in der Mini-Werkstatt. Umringt von Puppenkörpern, denen mal ein Arm, mal ein Bein oder gar ein Auge fehlt, sitzt „Frau Doktor“ und näht, bastelt, werkelt. Ihre Kunden kommen aus Halle, dem Saalekreis, aber auch aus Leipzig, Wittenberg, Bitterfeld. „Ich habe gut zu tun“, sagt sie - was vor allem in der Weihnachtszeit zutrifft. Denn da „holen die Leute ihr altes Spielzeug vom Boden und stellen fest, dass es kaputt ist“. Die älteste Puppe, die ihr anvertraut wurde, stammt aus dem Jahre 1880 - eine alte Porzellankopfpuppe. „Bei der Reparatur kommt es darauf an, die Puppe nach besten Möglichkeiten wieder herzustellen, aber sie nicht zu überreparieren“, so die Expertin. Der alte Charme müsse erhalten bleiben.
Oft sitze sie bis 1 Uhr morgens, dann allerdings nicht im Laden, sondern zu Hause. Dort lagern rund 300 Paar Puppenaugen, etliche Puppenköpfe, einzelne Arme und Beine und unterschiedlichstes Bastelmaterial wie Gummizüge, Puppenhaare und vieles mehr. Ersatzteile beschaffe sie sich auf Flohmärkten und Auktionen. „Vor allem die Plastikkörper der DDR-Babypuppen sind schwer zu reparieren, ebenso schwierig sind bewegliche Arme oder Beine wieder anzubringen“, so ihre Erfahrung. Doch wenn sie dann das Glänzen in den Augen ihrer Kunden sehe, sei die Mühe vergessen. „Wenn ganz alte Leute kommen und ihren Teddy oder Puppe aus Kindertagen bringen, rührt mich das sehr“, sagt Simone Dietl. Auf Wunsch nähe sie auch alte Kleider nach historischem Vorbild - meist nach alten Fotos. Und am liebsten werkelt sie an Kasperpuppen - „die haben so schöne Charakterköpfe“, meint Simone Dietl, deren Markenzeichen übrigens ein Zwerg ist: Alberich. (mz)