Sie gab Patienten Gesicht wieder
Halle/MZ. - Eigentlich hätte Utta Wagner noch bis zu ihrem 65. Geburtstag im November arbeiten können. "Aber mein Mann hat sich gewünscht, mit mir den ganzen Sommer zu verbringen", erzählt die Professorin. Und so hat die leitende Oberärztin an der Uni-Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie schon jetzt ihren Abschied genommen. Schweren Herzens - "ich war immerhin 46 Jahre an der Uni Halle" -, aber auch frohgemut, weil sie sich endlich ihrer Familie mit zwei Enkeln und Hobbys wie dem Sprachenlernen widmen kann.
Ärztin wollte die Hallenserin schon immer werden. In erster Linie wohl deshalb, weil der Hausarzt der Familie in der Nachkriegszeit ihrer Schwester mit dem damals unendlich kostbaren Penicillin das Leben rettete. Zuvor erlernte sie den Beruf einer Physiklaborantin, der ihr später recht nützlich war, wie sie sagt. Einen Tag vor dem Mauerbau begann sie, Zahnmedizin zu studieren, arbeitete in der Zahnklinik, qualifizierte sich zur Mund- und Kieferchirurgin. Kurz vor der Wende wurde sie Dozentin und 1994 zur Professorin ernannt.
Gearbeitet hat Utta Wagner immer gern: "Und zwar in kollegialer, fast familiärer Atmosphäre", wie sie schildert. Menschen allen Alters mit Fehlbildungen und Tumoren waren ihre Patienten ebenso wie jene, die Unfälle erlitten hatten. "Ihnen ihr Gesicht wiederzugeben und damit ihre Identität, das ist eine kreative Arbeit, die dem Arzt wunderbare Momente des Glücks
beschert", sagt sie. Freilich, auch reine Schönheits-Operationen würden in der Klinik gemacht. Aber die seien hierzulande noch selten. "Zum Glück", fügt sie an, "wir haben dazu eine kritische Meinung."
Im Laufe ihres Arbeitslebens sind auf ihrem Gebiet viele Fortschritte gemacht worden. So sei es heute Standard, Knochen, Muskeln, Gefäße und Haut aus anderen Körperteilen zu entnehmen und sie im Gesicht einzusetzen, um Löcher zu schließen. "In den 80er Jahren waren wir bei der Entwicklung dieser revolutionierenden Methode führend", so die Professorin.
Seit bei Kieferfrakturen Titanplatten verwendet werden, verlaufe die Behandlung für die Patienten wesentlich komfortabler. Und bei Menschen, die mit einer Lippen-Gaumenspalte geboren werden, erzielen die Mediziner heutzutage weitaus bessere Erfolge - im ästhetischen wie sprachlichen Bereich. Das alles liegt nun hinter der Ärztin, die nicht nur die einzige Frau in ihrem Fach an der Uni Halle war, sondern auch die wohl bundesweit einzige weibliche Professorin in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. "Doch weiblicher Nachwuchs ist an unserer Klinik in Sicht", sagt sie, das sei ein schöner Trost zum Abschied.