Seltenes Handwerk Seltenes Handwerk: Halles letzter Ofenbaumeister

Halle (Saale) - Inzwischen arbeitet Alexander Griese allein, ohne Angestellte. Vor fast vier Jahren hat er den Ofenbaubetrieb seines Vaters übernommen, und heute ist er letzte bei der Handwerkskammer eingetragene Ofenbaumeister in Halle. Er ist sich sicher: „Ich mache hier das Licht aus.“ Wenn er eines Tages seine Firma abgeben wollte, würde er niemanden finden, der sie übernimmt. „Die Jugend zieht nicht nach. Die letzte Bewerbung um Mitarbeit wurde hier vor 14 Jahren abgegeben.“ Alexander Griese wäre sogar bereit, einen Lehrling auszubilden - aber es kommt keiner.
Ende der 80er Jahre, schätzt er, gab es noch zehn bis fünfzehn Ofenbaumeisterfachbetriebe in Halle. „Als die Inhaber in Rente gegangen sind, haben sie keine Nachfolger gefunden, deshalb wurden es schließlich immer weniger. Der letzte hat mit 74 Jahren aufgehört.“ Über die Gründe für den mangelnden Nachwuchs kann der 43-Jährige auch nur rätseln. Vermutlich sei die Arbeit zu schwer. „Einen Kachelofen in den vierten Stock zu tragen und dort zu setzen ist Knochenarbeit.“ Dabei ist der Nachwuchsmangel in dieser Branche keineswegs deutschlandweit zu beklagen. Es gebe Regionen, sagt Griese, die überfüllt seien mit Ofen- und Kaminbauern.
Zunächst Grafikmaler gelernt
Er führt die Firma nun in zweiter Generation. Gelernt hat er zunächst Schrift- und Grafikmaler - die Ausbildung kommt ihm heute noch zugute beim Aufmaß oder dem Zeichnen von Hand von Grundrissen oder Ansichten der Kamine und Öfen. Nach mehreren Jahren Montage und Angestelltendasein bei verschiedenen Werbefirmen, „das hatte mit Kreativität nichts zu tun“, wollte er einen neuen Weg gehen. Er wurde Kachelofen- und Luftheizungsbauer und Geselle in der Firma seines Vaters. Die gab es seit 1980, Privatwirtschaft im Sozialismus.
„Mein Vater war eine Art Kleinkapitalist zu DDR-Zeiten.“ Heute lacht er darüber, seinem Vater ist die Freude vermutlich immer mal vergangen damals. Anfangs, erzählt Griese, habe es gar kein Auto gegeben, dann einen Trabant, und dann, welch Glück, einen alten Barkas, der über viele Jahre erst zusammengeschraubt werden musste. Material für den Ofenbau? „Das war eine Farce“, sagt Griese. Man habe genommen, was man kriegen konnte. Damals habe kein Kunde die Wahl gehabt, welche Glasur es denn sein sollte: „Die Leute konnten froh sein, wenn sie Kacheln hatten um den Ofen“.
Luxusartikel für Leute mit gutem Einkommen
Heute aber ist alles ganz anders. In gewisser Weise, sagt Griese, baue er Luxusartikel für Leute mit gutem Einkommen. Seine Auftragslage ist gut. Ein Ofen, oder ein Kamin, ist etwas zum Wohlfühlen, für die Behaglichkeit, und auch fürs Auge. Kaminöfen, Speicherkamine, Kachelöfen, schlicht oder prächtig, klein oder groß - Alexander Griese setzt, was der Kunde wünscht. Je nach den Voraussetzungen wie Größe des Raumes und des Schornsteins entwirft er Vorschläge, zeigt seine Zeichnungen, bietet Extras an. Der Kunde hat die Wahl: Womit soll geheizt werden? Soll der Ofen Wärme speichern? Mit einem Gussaufsatz vielleicht? Soll er Kacheln haben? Aus Keramik oder aus Naturstein? Und in welcher Farbe?
Manche Öfen bekommen eine Sitzbank, andere einen Sims oder ein Backfach. Sind die Details geklärt, bestellt Alexander Griese das Material, und los geht’s. Zunächst wird das Grundgerüst gesetzt, ein Heizeinsatz aus Stahl oder Guss. Sämtliche Einzelteile werden zum Kunden geliefert und dort zusammengesetzt. Das dauert zirka anderthalb Wochen, hinzu kommt die Zeit für die Nebengewerke wie Klempner, Schlosser oder Fliesenbauer. 7.000 Euro etwa koste ein normaler Heizkamin, bei einem großen Kachelofen komme man schnell auf 15.000 Euro. Wobei, natürlich, nach oben keine Grenzen gesetzt seien, sagt Griese.
Apropos Geld. Die schlechte Zahlungsmoral, zunehmend in Grieses Augen, sei ein großes Problem. „Momentan hält es sich noch in Grenzen. Aber wenn zweimal 15.000 Euro nicht reinkommen, kann das schon nach hinten losgehen.“ In dieser Hinsicht ist er dann wieder ganz froh, Einzelkämpfer in seinem Betrieb zu sein. So, sagt er, sei er nur für sich selbst verantwortlich.
Für Auftrag ins Erzgebirge
Reparaturen gehören außerdem zum Alltag Alexander Grieses. Schließlich gibt es in Halle noch zahlreiche Wohnungen mit Ofenheizung, und die müssen funktionieren. Und vermutlich wäre Alexander Griese ein schlechter Ofenbauer, schlüge sein Herz nicht auch für die alten Modelle: Er restauriert Jugendstil- und Gründerzeitöfen. Sein nächster Auftrag wird ihn ins schöne Erzgebirge führen. Dort trägt er einen alten, wunderschönen Ofen ab und baut ihn in Halle wieder auf - Familienbesitz. (mz)