Selbstversuch in der Kältekammer Selbstversuch in der Kältekammer: Bei minus 94 Grad in Halle

Halle (Saale) - Die Tür schließt sich und plötzlich fühle ich mich so allein, wie ein Polarforscher in der unendlichen Schneewüste der Arktis. Drei Minuten durchhalten lautet das Ziel. Doch wie soll ich das schaffen? Nur mit einer Badehose, einem Stirnband, Handschuhen und Socken bekleidet in einer Kältekammer, in der minus 94 Grad Celsius herrschen. Vor fünf Jahren hatten Wissenschaftler mit einem Satelliten den offiziell kältesten Punkt unseres Planeten entdeckt: ein Plateau in der Ostantarktis, an dem minus 93,2 Grad herrschen. Selbst dort ist es also wärmer als in der Kältekammer, in der ich nun stehe.
Die Vorbereitung auf den Weg in den Eisschrank beginnt einige Tage zuvor. Ich telefoniere mit der promovierten Allgemeinmedizinerin Haik-Silke Zeisler, die vor einem Jahr mit ihrer Praxis an die Vogelweide gezogen ist. Neben gewöhnlichen Behandlungsräumen gibt es dort auch eine Kältekammer. Die einzige in Halle, wie Zeisler sagt. „Sie wird von Patienten mit Rheuma und Arthrose, Multipler Sklerose und Neurodermitis genutzt. Aber auch von Sportlern zur Regeneration und für Anti-Aging-Anwendungen“, sagt die Medizinerin.
Selbsttest in der Kältekammer: Spieler des HFC und Olympiasiegerin Julia Lier waren hier
Sowohl HFC-Spieler als auch Olympiasieger wie Julia Lier waren schon drin. Ich bin gesund, weder Sportler, noch der Meinung, dass meine Haut eine Frischekur benötigt. Trotzdem ist die Neugier so groß, dass ich einwillige, die Kammer auszuprobieren. „Bringen Sie bitte Handschuhe, frische Socken, saubere Schuhe und eine Badehose mit“, sagt Zeisler am Telefon.
Einige Tage später besuche ich die Praxis mit eiskalten Händen. Im Wartezimmer steigt die Aufregung, bis mich Doktor Zeisler in einen Behandlungsraum führt und mich auf den Gang in der Kältekammer vorbereitet. „Sie müssen schnell hineingehen, damit die Tür nicht zu lange offen bleibt und die Kälte entweicht“, sagt sie. „Die Anwendung dauert drei Minuten. Innen werden Sie eine Lichtleiste sehen, auf der Licht nach oben steigt. Wenn es oben angekommen ist, sind die drei Minuten rum.“ Von Zeisler will ich wissen, ob die Anwendung mit einem Sprung ins kalte Wasser vergleichbar ist. „Überhaupt nicht. Es ist eine sehr trockene Kälte. Ich gehe selbst alle paar Tage in die Kältekammer“, sagt sie.
Selbsttest in der Kältekammer: „Am besten bewegen Sie sich ein wenig“
Nach ein paar Fragen über meine Gesundheit - Herzkranke sollten vorher unbedingt mit ihrem Kardiologen sprechen - geht es in den Raum, in dem die Kältekammer steht. Sie ist etwa so groß wie eine Duschkabine, leuchtet in einem frostigen blauen Licht und brummt vor sich hin. Haik-Silke Zeisler gebietet mir, mich umzuziehen und verlässt den Raum. Ungetragene Socken anzuziehen, sei sehr wichtig, denn in den Strümpfen, die schon seit Stunden am Körper anliegen, ist Schweiß enthalten. Der würde in der Kammer sofort gefrieren, was unangenehm ist und das Klima feuchter machen würde. Die Handschuhe sind nötig, damit die weniger gut durchbluteten Fingerspitzen nicht zu kalt werden.
Zum Schluss bekomme ich noch einen Mundschutz, damit ich die kalte Luft nicht direkt einatme und ein Stirnband aufgesetzt, über das ich Musik hören kann. Dann geht alles ganz schnell. Die Ärztin öffnet die Tür, weißer Nebel steigt aus der Kammer. Es ist Luftfeuchtigkeit, die im Warmen sichtbar wird. „Am besten bewegen Sie sich ein wenig“, ruft Zeisler noch hinterher. Dann geht die Tür zu.
Selbsttest in der Kältekammer: „Die drei Minuten sind rum. Wie fühlen Sie sich?
Die erwarteten Schmerzen bleiben aus. Es fühlt sich nicht kälter an, als wenn man nur mit einem T-Shirt bekleidet in der Frost-Abteilung eines Supermarktes steht. Doch ich frage mich, wie lange der menschliche Körper diese Extremsituation wohl aushält. Nach ein paar Sekunden merke ich, wie mein Herz schneller schlägt und spüre meinen Körper intensiver. Wie weit das Licht auf der Leiste nach oben gewandert ist, kann ich nicht erkennen - vielleicht bin ich zu aufgeregt.
Da öffnet die Ärztin plötzlich die Tür. „Die drei Minuten sind rum. Wie fühlen Sie sich?“, fragt sie. Eigentlich gut. Anders als erwartet fange ich nicht an zu schwitzen. Nur meine Haut kribbelt ein wenig. Ob sich die Behandlung gelohnt hat? Das merke ich vielleicht in ein paar Tagen. So schlimm wie befürchtet war es jedenfalls nicht. (mz)
