Selbsthilfegruppe Selbsthilfegruppe: «Ich habe immerzu Schmerzen»
Halle/MZ. - Die 34-jährige Neustädterin leidet am seltenen Klippel-Feil-Syndrom, nur gut 15 Menschen in Deutschland haben das angeborene Leiden. Dabei ist die Wirbelsäule fehlgebildet. "Sie ist nicht richtig ausgebildet, es sind keine Wirbel erkennbar, sie sind verkeilt und verkantet, und die Bandscheiben sind teils kaum entwickelt." So habe sich ihre Wirbelsäule verkrümmt, und deshalb ist Annett Melzer auch nur 1,47 Meter groß. "Mein Oberkörper ist viel zu klein, die Organe konnten sich nicht richtig entwickeln, und jetzt können sie nicht richtig arbeiten." Unter anderem gehört eine geschädigte Lunge zu den Folgeerkrankungen des Syndroms. Annett Melzer braucht rund um die Uhr künstlichen Sauerstoff, um nicht ins Koma zu fallen - und schließlich aus Sauerstoffmangel zu sterben.
Sie ist auch an jedem Tag auf einen Pflegedienst angewiesen, auf die Hilfe beim Anziehen oder auch beim Zubereiten des Essens; eine spezielle Physiotherapie erhält ihre Muskulatur. Um die Schmerzen, die durch die Fehlbildung und die Folgeerkrankungen entstehen, in Schach zu halten, braucht sie starke Schmerzmittel. Und muss wiederum Medikamente nehmen, damit ihr Körper diese starken Mittel verträgt.
Es ist kein leichtes Leben, doch die junge, selbstbewusste Frau nimmt es an. Ein Haus, ein Auto, ein Traumurlaub? In der Welt, so wie Annett Melzer sie sieht, sind es die kleinen Dinge, die das Leben schöner machen. "Ich hätte gerne, dass die Menschen ganz normal weitergehen." Es ist der kleine und harmlose Wunsch, wie alle anderen behandelt zu werden. Doch viel zu oft wird er nicht erfüllt.
Dann bleiben Fußgänger stehen und glotzen - oder sie pöbeln die Frau an, wenn sie mit dem Rollstuhl auf der Straße und nicht dem Gehweg fährt: "Du fühlst dich wohl wie Schumi!" Kleine Hirne haben offenbar große Mühe sich vorzustellen, wie schwer es fällt und wie anstrengend es ist, mit einem Rollstuhl über die meist holprigen, unebenen Gehwege dieser Stadt zu fahren - Bordstein runter, Bordstein rauf.
Verständnis für diese kleinen Dinge findet die junge Frau in der Selbsthilfegruppe Schmerzen. "Unser Motto ist, das Leben geht weiter", sagt Annett Melzer. Acht Mitglieder hat die Gruppe, es sind welche dabei mit Krebs- oder Hüfterkrankungen, aber auch mit Migräne. Die Mitglieder geben sich Tipps zum Umgang mit Schmerzen, auch zu Therapien und Medikamenten.
Nach den guten Erfahrungen mit der Gruppe hat sich Annett Melzer entschlossen, einen Verein speziell für am Klippel-Feil-Syndrom Erkrankte und deren Angehörige zu gründen. Bislang habe sie schon zwölf Interessierte zusammen. Der Verein wird am kommenden Samstag um 11 Uhr in der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen (Merseburger Str. 246) gegründet.