Selbsthilfegruppe Anonyme Alkoholiker Selbsthilfegruppe Anonyme Alkoholiker: Zwei Mal im Jahr Geburtstagsfeier
Halle/MZ. - Was bleibt vom Leben, beim Blick zurück? Erfolge im Beruf? Eine funktionierende Familie, gute Freunde? Wenn der Hallenser Heinz eine Bilanz seines Lebens zieht, klingt das so: "Ich habe zwei Ehen versoffen und drei Kinder sind auf der Strecke geblieben." Der 50-Jährige war Alkoholiker.
Ein Vierteljahrhundert lang hat er getrunken, davon 20 Jahre auf "Spiegel": Mit einer kleinen Schnapsflasche stets in Reichweite hat er seinen Alkohol-Pegel immer auf einem bestimmten Niveau gehalten. Extrem wurde es bei Feiern mit der Familie, mit Freunden. "Das endete meistens mit einem Blackout." Das ging so lange, bis gar nichts mehr ging. "Mein Körper schrie nach Alkohol. Ich trank welchen - und kotzte ihn direkt wieder aus. Und dann brauchte ich wieder einen Schluck hinterher. Es ging nicht mehr mit Alkohol, es ging nicht mehr ohne."
Da dämmerte ihm die Einsicht, dass er sich ändern müsste - oder zugrunde geht. Und so ging er zu den Anonymen Alkoholikern. "Ich habe sofort gespürt, dass ich nicht alleine bin mit meinem Problem - und mit der Gruppe habe ich es geschafft, trocken zu werden." Zwischen Weihnachten und Neujahr vor bald zehn Jahren war das. Heinz wird diesen Tag nie vergessen, für ihn begann mit der Selbsthilfegruppe ein neues Leben: "Ich feiere jetzt zweimal im Jahr Geburtstag. Meinen natürlichen und den Tag, als ich trocken wurde."
Isolde war nie abhängig von Bier, Wein, Sekt oder Schnaps, hat aber Jahrzehnte unter Alkohol gelitten. "Alkoholismus ist eine Familienkrankheit", sagt sie, Mitglied in der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Alkoholikern. Die 48-Jährige war 22 Jahre lang mit einem Alkoholiker verheiratet. Er hatte bei der Armee angefangen zu trinken. Erst Bier. Als das nicht mehr reichte, Stärkeres: Zum Schluss anderthalb Flaschen Wodka pro Tag. Lange hat sie hilflos zugesehen, wie es immer schlimmer wurde. "Ich habe das Zeug weggekippt, habe ihm gedroht, habe gebettelt, habe die Scheidung eingereicht und wieder zurückgezogen - es hat alles nichts gebracht." Und die drei Kinder litten. "Es gab keine festen Gewohnheiten und keine Geborgenheit." Dazu setzte es öfter Schläge für die Kinder. Die Tochter bekam Asthma, der eine Sohn war lange Bettnässer. "Und es fällt ihnen heute noch schwer, Vertrauen zu haben und Freundschaften zu schließen. Sie haben großen Schaden davon getragen."
Heute sind die Kinder erwachsen, von ihrem Mann ist sie geschieden. In der Selbsthilfegruppe hat sie gelernt, sich nicht selbst die Schuld für das Familien-Unglück zu geben, all das Leid zu akzeptieren und nach vorne zu sehen. Noch heute geht sie zu den Treffen: "Ich will mit meiner Erfahrung da sein, wenn andere kommen."
Auch Heinz geht weiter zu den Sitzungen der Anonymen Alkoholiker, auch wenn er schon so lange trocken ist. Denn der Kampf gegen die Sucht ist nie zu Ende. "Das ist eine lebenslange Krankheit. In mir brennt eine kleine Funzel. Kippe ich da Öl, also Alkohol, drauf, dann brennt sie lichterloh." Als Brandverhütung in diesem Sinne diene ihm die Selbsthilfegruppe. "Hier entsteht eine heilsame Atmosphäre." Und so gelinge Heinz, was der Alkohol zunichte machte. "Ich will ein Leben führen, das den Namen auch verdient."
Die Liste der Selbsthilfegruppen in Halle und dem Saalkreis ist lang - sie reicht von Anonymen Alkoholikern über Rheuma und Späterblindeten bis hin zu Stotterern. Informationen zu den einzelnen Gruppen, Zeitpunkt der Treffen oder Aufnahmebedingungen gibt es bei der Kontaktstelle, die die Selbsthilfe betreut und koordiniert. Telefon: (0345) 52 04 110.(gau)