Sattlerei öffnete vor 130 Jahren Sattlerei öffnete vor 130 Jahren: Auch Helge Schneider kaufte hier seine Hundeleine

Halle (Saale) - Der betagte Reisekoffer voller Fotos und Dokumente kann Geschichten erzählen - vor allem aber Geschichte: die der Sattlerei Weidner. Gegründet einst von Sattlermeister Emil Vogel, kann das Lederwarengeschäft samt Werkstatt in diesen Tagen inzwischen auf sein 130-jähriges Bestehen zurückblicken. Für treue Kunden und Geschäftspartner spendierte Inhaber Karsten Weidner ein Gläschen Sekt, doch „groß an die Glocke“ hängte der 48-Jährige das Jubiläum dann doch nicht.
Braucht er auch nicht - das kleine, aber feine Geschäft in der Kleinen Ulrichstraße ist für Kenner und Liebhaber hochwertiger, handgemachter Lederwaren eine angesagte Adresse. Helge Schneider war schon da - und hat eine Hundeleine gekauft. Und auch Deep-Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore erstand bei Weidner eine Tasche.
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte der Sattlerei in Halle 1889
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte der Sattlerei 1889. Sattlermeister Emil Vogel, der acht Jahre zuvor die Gesellenprüfung abgelegt und sich auf Wanderschaft begeben hatte, erlernte und vervollkommnete „auf der Walz“ bei einem bekannten Unternehmen in Hannover auch die Kunst des Sattelbaus. Auch Vogels Militärdienst bei einem Artillerie-Regiment war ganz sicher hilfreich für dessen Ausbildung als Sattler.
Im März 1889 die Meisterprüfung bestanden, konnte Emil Vogel kurz darauf am Reileck seine Sattlerwerkstatt mit später dazugehörendem Lederwarengeschäft eröffnen - dank der damals naheliegenden Reilskaserne in bester Geschäftslage. Im Laden kündete viele Jahre lang ein ausgestopftes Pferd, von Emil Vogel zu Deko-Zwecken im Berliner Zeughaus erworben und ins Schaufenster gestellt, von großer Handwerkskunst. Bei dem Pferd übrigens soll es sich um das von König Wilhelm I. von Preußen gehandelt haben, mit dem jener in die Schlacht von Königgrätz geritten ist.
Sattlerei und Laden in Halle haben bis heute überdauert
Das Pferd ist inzwischen verschwunden, doch Sattlerei und Laden haben bis heute überdauert. 1931 übernahm Vogels Geselle Friedrich Stroisch die Sattlerei, die 1939 ihr 50-jähriges Bestehen feiern konnte. „Die Nachkriegsjahre überstand das Geschäft dank der Devise ,aus Alt mach Neu’“, so Karsten Weidner. Der heutige Inhaber hatte damals, Anfang der 80er Jahre, bei Stroischs Sohn Eberhard seine Ausbildung als Sattler absolviert und 2005 das Geschäft übernommen.
Und so ist denn auch Weidners Meisterstück ein prächtig gearbeiteter Sattel. Der steht heute noch in einem Regal im Laden in der Kleinen Ulrichstraße - neben Taschen, Rucksäcken, Gürteln, Reitzubehör. Bis heute erfüllt Weidner in seinem Geschäft, das zugleich Werkstatt mit historischen Näh- und Prägemaschinen, alten Wandregalen und Schubladen ist, besondere Wünsche. Und auch ein Pferd spielt wieder eine Rolle: Ein Schaukelpferd von einem alten Karussell wartet darauf, repariert zu werden. (mz)
