1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Rund geeckt: Rund geeckt: Architekten des Neuen Bauens setzten in Halle spektakuläre Ideen um

Rund geeckt Rund geeckt: Architekten des Neuen Bauens setzten in Halle spektakuläre Ideen um

Von Detlef Färber 10.01.2019, 14:30
Feinkost- und Restauranthaus  war das „Broskowski“ an der Leipziger Straße nach seinem Umbau 1930.
Feinkost- und Restauranthaus  war das „Broskowski“ an der Leipziger Straße nach seinem Umbau 1930. Silvio Kison

Halle (Saale) - Wenn Mauern sprechen könnten, hätten sie sicherlich viel zu erzählen. Das trifft umso mehr zu, je älter die Gemäuer sind. Und wenn von Geschäftshäusern einer Stadt die Rede ist, dann können viele ältere Anwohner aus der Umgebung auch noch helfen beim Erzählen: Was war da früher noch mal für ein Geschäft drin? Was gab’s da? Oder: Wie hießen die, denen der Laden gehört hat?

Doch Mauern haben noch mehr zu erzählen, zum Beispiel vom Geist der Zeit, in denen sie gebaut wurden. Und der hatte sich vor hundert Jahren bekanntlich sehr schnell und von Grund auf gewandelt.

Wie, das lässt sich auch an jenen neuen Geschäftsbauten ablesen, die nach dem Ende der Kaiserzeit entstanden sind. Oder die im Zuge fälliger Sanierungen durch Überformung alter Bausubstanz plötzlich zu Blickfängen im zumeist gründerzeitlich geprägten Straßenbild wurden: Werden konnten, indem sie einen harten Kontrast bildeten zu den oft mit prunkvollen Schmuckelementen überladenen Fassaden, wie sie in Halle noch an manchen Häusern etwa in beiden  Ulrich-straßen zu bewundern sind.

Eine solche Überformung ist die des „Paul-Krause“-Hauses in der Geiststraße, die als Eigentümer der Moped- und Fahrradhändler Krause 1925 veranlasst hatte. Gestaltet wurde sie bis  zur eigenwillig-modernen Namenszug-Typografie vom Architekten Richard Schmieder. Die nur scheinbare Schlichtheit der Optik, in der auch hier viel an Formwillen und Raffinesse steckt, zeigt sich in dieser Straße  besonders gut im Vergleich zu jenem benachbarten Haus, das einst das prächtige und leider längst wieder geschlossene Restaurant „Hohenzollern“ beherbergte.

Doch die sich auf den ersten Blick darbietende Schlichtheit hält auch in anderen, einst als Handels- oder Wohn- und Gewerbehäuser entstandenen Gebäuden dem zweiten Blick nicht Stand. Vielmehr zeigt sich an vielen - freilich unaufdringlich verwendeten - Details, Formen und Materialien die Philosophie des Neuen Bauens.

Egal ob Bauhäusler im engeren Sinn oder andere Modernisten, sie alle setzen dem opulenten Fassadendekor noch der vorangegangenen Epoche klare Linien und abstrakte Formen entgegen, vermeiden jede Effekthascherei und favorisieren Funktionalität - scheinbar zumindest - indem sie die Fenstergrößen variieren, für viel Licht in den Gebäuden sorgen oder die Fassadenoptik durch die Verwendung kontrastierender Materialien gliedern. Auch runde Ecken oder extrem kantige Formen geben den Gebäuden so auf den ersten Blick eine im einzelnen schwer zu beschreibende Unverwechselbarkeit.

Die weist etwa auch das Haus an der Brüderstraße auf, in der einst das „Sporthaus Schnee“ untergebracht war. Dennoch fügt es sich organisch in die durch hochwertige ältere Bebauung geprägte Innenstadtgegend ein. Das gilt auch für das seit Jahrzehnten als Schuhhaus verschiedener Anbieter bekannte Gebäude, das der Architekt Otto Steinkopf ab 1927 eingangs der Leipziger Straße dem Ratshof gegenüberstehend errichtet hatte.

Einen starken Akzent hat die Moderne in Gestalt des Architekten Bruno Föhre am oberen Ende der unteren Leipziger Straße gesetzt - zunächst 1928 mit dem im Krieg beschädigten und später abgerissenen Ritter-Kaufhaus und zwei Jahre später mit dem Wein- und Gastronomiehaus Pottel & Broskowski, das mit seiner runden Ecke die Form des schräg gegenüber stehenden, komplett runden Leipziger Turms aufzunehmen scheint.

Doch während anstelle des Ritterkaufhauses nun ein nur noch mit Moderne-Zitaten spielender Bau als Einkaufpassage fungiert, und das Kaufhaus Huth (später Kinderkaufhaus) am Markt 1993 dem ersten Kaufhof-Bau weichen musste, hat zumindest das Kaufhaus Lewin auf der anderen Marktseite als Moderne-Zeuge überlebt und gibt als Buchhaus dem Handel im Schatten der fünf Türme Gewicht. Und: Der wiederum von  Föhre 1929 errichtete Bau zeigt sich dem hohen Niveau des Platzes gewachsen. (mz)

Schuhhaus am Ratshof
Schuhhaus am Ratshof
Silvio Kison
Einst als Kaufhaus Lewin am Markt entstanden, heute Halles größtes Buchhaus
Einst als Kaufhaus Lewin am Markt entstanden, heute Halles größtes Buchhaus
silvio kison
Einen Steinwurf vom Roten Turm entfernt: Das Geschäftshaus in der Brüderstraße ist ein Hingucker.
Einen Steinwurf vom Roten Turm entfernt: Das Geschäftshaus in der Brüderstraße ist ein Hingucker.
Silvio Kison
Einst Mopedladen in der Geiststraße
Einst Mopedladen in der Geiststraße
Silvio Kison