Rote Karte für Kunstrasen Rote Karte für Kunstrasen: Was die EU-Verordnung für Vereine in Halle bedeutet

Halle (Saale) - Hoch über der Stadt, auf einem Felsen liegt der ganze Stolz des halleschen Fußballvereins „Turbine“: sein Kunstrasenplatz. Besonders grün sieht er aus, schließlich wird auch erst ein Jahr auf ihm gespielt. Doch das wirklich Besondere ist die Art, wie der Verein zu ihm gekommen ist. Über drei Jahre sammelten die Kicker Spenden, bis sie den Eigenanteil von 100.000 Euro im Jahr 2018 zusammen hatten.
Doch nun gibt es Sorge, dass sich die Sportler zu früh gefreut haben, denn ein neues Umweltvorhaben der Europäischen Union könnte das Aus für Tausende Kunstrasenplätze bedeuten. Eine Regelung zur Vermeidung von Mikroplastik schließt auch das Gummi-Granulat ein, das in Kunstrasenplätze zur Dämpfung und als Schutz vor Verletzungen eingearbeitet wird.
Ab 2022 darf dieses Granulat nicht mehr verwendet werden
Die Regelung sieht vor, dass ab 2022 dieses Granulat nicht mehr verwendet werden darf. Stattdessen sollen Vereine auf Kork-Granulat oder Sand zurückgreifen. Ob Plätze einen Bestandschutz haben, ist unklar.
Der Landessportbund führt eine Liste, in der Kunstrasenplätze in drei verschiedene Kategorien eingeteilt und farblich markiert werden. Grüne Plätze sind nicht betroffen, orangene könnten unkompliziert mit Sand aufgefüllt werden, rote könnten von Einschränkungen betroffen sein. Von acht halleschen Kunstrasen-plätzen ist nur einer grün und einer orange markiert. Der Rest ist rot.
Turbine Halle: „An uns ist noch niemand herangetreten“
Unter halleschen Fußballvereinen hat sich das herumgesprochen. Und es herrscht Verunsicherung. „Wir warten im Moment noch ab, was das für uns bedeutet. An uns ist noch niemand herangetreten“, sagt Daniel Wurbs von Turbine Halle. Dass sich sein Verein vor einem Jahr für Kunstrasen mit Plastikgranulat entschieden hat, hatte seine Gründe. „Uns waren Alternativen wie Kork bekannt, aber das war eine Kostenfrage. Kork wäre deutlich teurer geworden“, sagt er.
Dass die EU jetzt plötzlich mit einer Untersuchung belegt haben will, dass das Gummigranulat schädlich ist, hält er für einen Schnellschuss. „Wenn jetzt alle auf Kork umstellen, wo soll das Material herkommen? Und so viele Sportplatz-Firmen gibt es nicht.“ Das ganze sei nicht besonders gut durchdacht.
War die Entscheidung für Kunstrasen also doch falsch?
War die Entscheidung für Kunstrasen also doch falsch? Nein, sagt Wurbs. Da seien andere Vereine, die derzeit einen neuen Platz planen würden, schlechter dran. „Denn wer jetzt einen Kunstrasenplatz beantragt, bekommt keine Förderung mehr dafür“, habe er gehört.
Das könnte zum Beispiel die Stadt Halle betreffen, die ein Fußball-Nachwuchsleistungszentrum auf der Silberhöhe bauen will. Auf Nachfrage, ob die Planungen nun geändert werden müssen, es Kostensteigerungen oder Verzögerungen geben könnte, antwortet Stadtsprecher Drago Bock: „Nein. Die Stadt spekuliert nicht über mögliche Entscheidungen der EU-Kommission im Jahr 2020.“
Deutlich weniger entspannt sind die Kicker von Blau-Weiß Dölau
Deutlich weniger entspannt sind die Kicker von Blau-Weiß Dölau, die zwei Plätze haben. In der Liste des Landessportbundes ist ihr kleiner Platz zwar grün, ihr großer aber rot markiert. „Wir würden vor einem echten Problem stehen, sollte der Platz nicht mehr genutzt werden dürfen. Unsere Mitgliederzahlen sind in den vergangenen Jahren durch die Decke gegangen, auch wegen des wetterunabhängigen Platzes“, sagt Trainer David Brendel. Der Kunstrasen sei rund sechs Jahre alt und noch gut in Schuss.
Zwei Vereine machen sich hingegen keine Sorgen - trotz Kunststoffgranulats: Der VfL Halle 96 mit seinem Stadion am Zoo und der HFC mit dem Nachwuchsleistungszentrum am Sandanger. Dem hat ohnehin das letzte Stündlein geschlagen. „Mit dem Ersatzneubau des Nachwuchsleistungszentrums auf der Silberhöhe wird der HFC diese Anlage nicht mehr fortführen. Es besteht daher kein Handlungsbedarf“, sagt HFC-Sprecher Lars Töffling. (mz)