Romantik weht durch den Windpark
HALLE/MZ. - Weitaus reizvoller ist es da, Schönheit, Anmut und womöglich ganz neue Harmonien im Landschaftsbild dort zu entdecken, wo keiner sonst sie vermutet - oder gar dort, wo andere noch empört mit dem Finger drauf zeigen. Einen Blick in eine solche Richtung hat jetzt die hallesche Malerin Kerstin Alexander riskiert.
Entdeckt hat sie dabei, was wohl ihrer kompletten Zunft bis auf den heutigen Tag vollständig entgangen ist: Die Romantik rund um das moderne Windrad. Eindrucksvoll dargestellt in Bildern, die zusammen fast so etwas wie eine Streitschrift zum Thema ergeben, präsentiert sie diese kreative Findung in ihrer neuen Ausstellung. "Blick mit Störung" heißt sie und ist in der Galerie Stelzer und Zaglmaier zu sehen.
Ausgangspunkt für die Künstlerin - ebenso wie für jene, die den Vormarsch der Windparks bekämpfen - ist dabei die (hier titelgebende) Wahrnehmung eines gestörten Blicks. Doch diese Störung der Sehgewohnheit, die mit jeder Neuerung einherzugehen pflegt, wird hier gleichsam zur Bildidee. Während zum Nebeneinander von neuen, gigantischen Windrädern und kleinen alten Dörfern vielen rein gar nichts Verbindendes einfällt, bringt Kerstin Alexander beides durch das luftige Element in einen originellen Zusammenhang. Der erzeugte Wind faltet als flirrende Luft die Silhouette des Dorfs und schafft so neue, korrespondierende Formen und Farben (Bild oben).
Im Bild unten spielt die Künstlerin dann eher mit Größendifferenzen. Die Kleinheit und Beschaulichkeit der Besiedlungsinseln rechts und links eines Autobahnstrangs wird im Kontrast mit den hier schemenhaft platzierten Giganten deutlich. Auch hier scheint auf den zweiten Blick etwas wie Harmonie in der Zusammenschau möglich zu werden.
Dass und wie so etwas wie Romantik den Windpark durchweht, erschließt sich zwar erst der meditativen Vertiefung ins Bild. Doch das mag Betrachtern vergleichbarer Kunstwerke etwa aus der Gründerzeit nicht anders ergangen sein. Inzwischen sind ja fast alle übrig gebliebenen baulichen Zeugen der frühen Industrialisierung, die die Leute damals ebenso ängstigten wie störten, längst Gegenstand nostalgischer Romantisierung.
Der Aufgabe, Schönes im Vorhandenen zu entdecken und dahingehend den eigenen Blick zu schulen, stellt sich Kerstin Alexander als Künstlerin. "Die sinnfreie Schönheit", so sagt sie, "findet man überall". Doch - so schränkt sie ein - "wer Schönheit nicht schon in sich trägt", der werde sie auch sonst nirgends entdecken. Wie man sie dort findet, wo ihr scheinbar Hindernisse im Weg stehen, demonstriert Kerstin Alexander auch anderweitig in ihrer aktuellen Schau. Da eröffnen beispielsweise die geknickten Optiken von Klappspiegeln bei der Morgentoilette reizvolle Blickwinkel und Ansatzpunkte für Entdeckungen abseits des üblichen Gesichtsfelds. Die Störungen werden so auch da zu einer Art Schule des Abbildens - also des Sehens.
Neue Gesichtsfelder in Fülle werden sich übrigens für die hallesche Künstlerin, die in Merseburg auch als Kunstprofessorin tätig ist, schon demnächst ergeben. Ab Herbst führt die gebürtige Thüringerin nämlich ein Lehrauftrag nach Ägypten. Für ein Jahr wird sie dort an der "German University Cairo" eine Professur übernehmen.
Ob sie dort auch noch genügend Zeit zum Malen findet? - Kerstin Alexander bezweifelt das ein bisschen. Doch um ihre Zweifel zu zerstreuen, hat Galerist Thomas Zaglmaier in seinem Kalender schon mal nach einem Termin für die Ausstellung der noch ungemalten Ägypten-Bilder gesucht: "Herbst 2010? - Na Kerstin, das muss doch zu schaffen sein!"
Die Schau ist in der Galerie Stelzer und Zaglmaier (Große Steinstraße 57) noch bis 22. Juli zu sehen (gemeinsam mit einer Kabinett-Ausstellung von Bernhard Michel). Geöffnet werktags 12.30 bis 18.30 Uhr.