Ex-Streetworker in Halle Roman von Peter Winzer: Hooligans und gewaltbereite Fans - Warum machen die das?

Halle (Saale) - „Eine Lieder brüllende Walze von Menschen zog in Zehnerreihen durch die Straßen, eskortiert von Polizeiautos, deren Rundumleuchten die Gesichter der Menschenmassen gespenstisch blau überzogen. Das Stadion kam in Sicht, der Zugang zum Gästeblock war von Polizisten im Kampfanzug abgeriegelt. ,Mann, haben die einen Schiss vor uns’, rief Kalle ... “
Das ist Literatur! Wenige Zeilen genügen, um den Leser mitten hinein zu stellen in eine ihm zwar nicht unbekannte, aber doch fremde Welt. Und um ihn das Knistern spüren zu lassen, den Hauch der Spannung vor einer jeden Moment möglichen Entladung. Und dann genügt nur ein einziger Satz, um ein echtes Rätsel nahezu zu lösen. Ein Rätsel, das längst auch zu einem aufwendigen und dauerhaften Problem für Städte und Länder geworden ist.
Roman von Peter Winzer: Es geht um Hooligans und die gewaltbereite Fußballfan-Szene
Es geht um Hooligans, die gewaltbereite Fußballfan-Szene - und um die simple Frage: „Warum machen die das?“ Die, das sind meist junge Männer, schon weit jenseits der Rotznäsigkeit. Warum, Samstag für Samstag und Wochenende für Wochenende? Der hallesche Autor Peter Winzer hat sich der Frage angenommen in seinem Debütroman mit dem folglich passenden Titel „An den Wochenenden“, aus dem die eingangs zitierte Passage stammt. Und hat mit jenem „Schiss vor uns“ aus dem Munde der Hooligan-Figur Kalle einen Ansatz zum Verständnis der Szene geliefert.
Winzer weiß, wovon er erzählt auf den knapp 300 Seiten des Buchs, mit dem er am 9. Oktober Premiere feiern wird. Denn er kennt die Szene von innen. Der mittlerweile 59-Jährige war nach 1990 einer der ersten (wenn nicht der allererste) Streetworker in Halle - und hat als solcher später auch ein Fanprojekt betreut. Doch wie hat er es geschafft, an die Leute ranzukommen? Wie hat er das Vertrauen der Hools gewonnen? Das Wichtigste bei so etwas sei Offenheit.
Roman über Hooligans: Peter Winzer hat gar nicht erst versucht, so zu tun, als sei er einer der Ihren
Winzer hat gar nicht erst versucht, so zu tun, als sei er einer der Ihren. Seine Klienten hätten auch gewusst, dass er etwas anders tickt als sie und hättten ihn - fast schon liebevoll - „Zecken-Peter“ genannt. Wobei sich schon damals das grobe Rechts-Links-Schema auch in der Fußball-Szene als eher schwierig erwiesen habe. „Die meisten denken, die sind alle rechts, doch ich sehe sie eher als unpolitisch“, sagt der echte Hallenser Winzer rückblickend auf jene Hooligan-Szene, die er in seinem Roman verewigt hat.
Das Buch ist so etwas wie die Krönung seines bisherigen Schreibens, mit dem er bereits jung begonnen hatte. Bis seine Kunst ihm die für junge, kritische Geister fast unumgänglichen Schwierigkeiten mit dem realsozialistischen System einbrachte - was dann sein (damals schon vertraglich fixiertes) Autorendebüt in den 1980ern vereitelte. Heute ist Peter Winzer fast froh darüber. Denn so hat er später als Streetworker seine Geschichten buchstäblich auf der Straße, auf Halles Straßen, suchen müssen.
Und hat sie finden können.
››Peter Winzer, „An den Wochenenden“, Mitteldeutscher Verlag, Preis: 16 Euro. Buchpremiere am Dienstag, den 9. Oktober, 19.30 Uhr, in der Stadtbibliothek am Hallmarkt. (mz)