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Bauboom in der DDR Riebeckplatz in Halle (Saale) bekommt neues Gesicht: So wurde schon in den 60er Jahren fleißig umgebaut

Von Silvia Zöller 21.04.2018, 10:02
Der heutige Riebeckplatz um 1920. Damals fuhren die Straßenbahnen auch durch die Leipziger Straße, die auf dieser Aufnahme links oben von dem Platz abzweigt.
Der heutige Riebeckplatz um 1920. Damals fuhren die Straßenbahnen auch durch die Leipziger Straße, die auf dieser Aufnahme links oben von dem Platz abzweigt. MZ-Archiv

Halle (Saale) - Damals hieß er noch Thälmannplatz. Aber als in den 1950er Jahren der Kriegstrümmerschutt beseitigt und der Wohnungsbau gestartet war, sollte auch für den zentralen Platz der Stadt ein neues, modernes Aussehen her. Und so wurde der Thälmannplatz ab 1964 eine riesige Baustelle, Bagger fraßen sich durch die Erdschichten. Erst ab 1971 rollte der Verkehr über die neue Hochstraße nach Neustadt, bis dahin war der Thälmannplatz Baustelle.

Bau-Boom zu DDR-Zeiten: Die selbstabwaschenden Fassaden haben nie funktioniert

An die Zeit erinnert sich der frühere hallesche Baudezernent Wolfgang Heinrich gut - er war ab 1965 einer der sechs Bauleiter, die den Umbau betreuten. Weit über 100 Bauarbeiter waren dort beschäftigt. Natürlich empfand der heute 81-Jährige damals ebenso die Aufbruchstimmung, die große Motivation und die Möglichkeit, etwas zu gestalten. Aber schon damals war er ein kritischer Geist, der gerne den Finger in die Wunde legte.

„Ich habe die erste selbstabwaschende Fassade an einem Hochhaus gebaut“, schmunzelt er, „das hat nie funktioniert.“ Das war an dem Gebäude an der Magdeburger Straße, in dem heute Envia untergebracht ist. Weil sich die Räume durch die angeblich durch Regen sich selbstreinigenden Bleche extrem aufheizten, wurde alles wieder abgebaut.

Vom Krieg zerstört: Viele Häuser in Halle (Saale) wurden einfach abgerissen

Denkmalschutz spielte damals keine Rolle, erinnert sich Heinrich - so wurde auch das vom Krieg zerstörte Hotel Goldene Kugel abgerissen. Viel sei zerstört gewesen, so dass man den alten Häusern keine Träne nachgeweint habe. Gefeiert wurde dagegen viel: „Bei der Fertigstellung jeder Etage gab es eine Einweihung.“

Zahlreiche Wohnungen entstanden damals rund um den zentralen Platz, aber auch die gesamte Verkehrsführung wurde damals komplett neu angelegt. Jahrelang gab es Umleitungen. Und wenig Frust darüber unter den Hallensern: „Alle waren begeistert, es ging um etwas Neues. Stolz war dabei“, beschreibt Heinrich die Stimmung in den 60er Jahren in Halle.

Um den Plan zu erfüllen, wurden dieselben Einbauschränke einfach doppelt verbaut

Und vor lauter Begeisterung bemühten sich alle trotz oft fehlender Baustoffe, den Plan vorzeitig zu erfüllen. Wie das ging? Heinrich erinnert sich daran, dass Einbauschränke aus einer bereits fertiggestellten Etage in einem Haus einfach wieder ausgebaut wurden, um sie in einen anderen Neubau am Riebeckplatz einzubauen. So war der Plan gleich doppelt erfüllt.

Heinrich fand diesen Selbstbetrug nicht gut und stellte sich auch quer, als in den Neubauten in der Franckestraße - die er mit gebaut hat - fehlerhafte Platten geliefert wurden. „Die kamen damals aus dem Betonwerk Merseburg. Ich habe 30 Prozent zurückgeschickt, weil sie nicht in Ordnung waren.“ Weil dadurch die Montage unterbrochen war, gab es Ärger: Die Partei schaltete sich ein, so Heinrich, der nie SED-Mitglied war. Fortan sollten die Platten eingebaut werden und die Fehler dann auf der Baustelle behoben werden.

Bauleiter machte sich beliebt, weil es drei Monate lang Bier gab

Trotz seiner Art wurde Heinrich schließlich sogar zum beliebtesten Bauleiter - das kam so: Für bestimmte Bauarbeiten wollte sich die MB-Brauerei einen Kompressor ausleihen. Dafür sollte Heinrich einen Kasten Bier bekommen. Heinrich stimmte zu, da der Kompressor gerade nicht am Thälmannplatz benötigt wurde. Aus der Ausleihzeit, die auf eine Woche geplant war, wurden drei Monate - und jede Woche gab es Bierlieferungen von Meisterbräu. Die Kollegen waren begeistert.

Mal abgesehen von dieser natürlich nicht ernst zu nehmenden Anekdote wurde auf der Baustelle nach neuesten Methoden gearbeitet: Ein sogenannter „kritischer Weg“ wurde für die Bauarbeiten festgelegt, den extra geschulte Netzwerktechniker festlegten. Nur wenn die Archäologen ihre Arbeiten erledigt hatten und Fundamente gebaut waren, konnten der Ausbau und die Montage beginnen. „Dafür musste man aber die entsprechenden Materialien haben. Das hat nie geklappt. An sich war es aber eine gute Sache“, erzählt der 81-Jährige mit einem Schmunzeln.

Beim Rückblick verweist Heinrich aber auch auf die Stimmen alter Hallenser, die für die moderne Bauweise mit den ersten Hochhäusern in der Stadt wenig anfangen konnten: „Unser Wahrzeichen sind die Fünf Türme und nicht die Hochhäuser als Dominanten am Thälmannplatz, habe ich oft gehört“, sagt der frühere Bauleiter.

››Haben auch Sie Erinnerungen an den alten Thälmannplatz? Zuschriften und Fotos unter [email protected] sind willkommen. (mz)

Für den Fußgängertunnel war ein riesiger Krater notwendig.
Für den Fußgängertunnel war ein riesiger Krater notwendig.
Plewa
Am Thälmannplatz entstanden Häuser in Stahlbetonskelettbauweise.
Am Thälmannplatz entstanden Häuser in Stahlbetonskelettbauweise.
Noack
Die Straßenbahnschienen wurden komplett neu verlegt.
Die Straßenbahnschienen wurden komplett neu verlegt.
MZ-Archiv
Über 500 Tonnen Bitumenkies wurde damals verarbeitet.
Über 500 Tonnen Bitumenkies wurde damals verarbeitet.
MZ-Archiv