Rannische Straße 9 Rannische Straße 9: Leben in Halles schönstem Haus

Halle (Saale) - Naturgemäß schaut der Patient während einer Physiotherapie hinauf an die an die Decke. Meist bietet diese einen wenig erbaulichen Anblick. In der neuen Praxis „Physiotherapie am Franckeplatz“ hingegen ist der Blick auf hallesche Stadtgeschichte - auf eine wunderbar restaurierte Balkendecke, dessen Holz im Jahr 1558 geschlagen wurde. Und auf Reste einer rund 450 Jahre alten Bemalung.
„Viele unserer Patienten sind von den Räumen begeistert. Ich auch“, sagt Physiotherapeutin Stephanie Hesche lachend. Die junge Frau hat inmitten dieser ungewöhnlichen Räumen den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Und es sei, sagt sie, wirklich schwierig gewesen, die Forderungen an die Therapie und die des Denkmalschutzes zu erhalten, miteinander in Einklang zu bringen. Zwei Jahre hätten Planung sowie die Herrichtung der Räume gedauert.
Der Denkmalschutz sitzt bei einem derart hochrangigen Denkmal immer mit im Boot. Schließlich ist das Haus Rannische 9 das älteste Renaissancegiebelhaus der Stadt. Erbaut wurde es als Handelshaus in der Zeit des berühmten Ratsbaumeisters Nickel Hofmanns. Im Obergeschoss - heute Therapie und Seminarraum - findet man eine herrliche barocke Stuckdecke. Seit dem Jahr 1818 diente es als Bäckerei und Wohnhaus. Damals wurde auch das prächtige Renaissance-Portal mit Sitznische für Schaufenster ausgebaut - und in die Neuen Residenz gestellt.
Auch die neuere Geschichte des Hauses ist spektakulär. Denn das Baudenkmal hatte wie so viele andere die DDR nur mit knapper Not überlebt hatte. Nachdem zunächst bürgerschaftliches Engagement das Schlimmste verhinderte, versprach man sich vom Verkauf an die Deutsche Industrie- und Handelsbank die Rettung.
Doch diese blieb aus, und 1997 entschloss sich die Stadt zu einem heute kaum mehr vorstellbaren Schritt: Sie setzte das marode Gebäude selbst grundlegend instand - für zwei Millionen Euro - um es zu verkaufen. Auch das Portal wurde dabei wieder eingebaut. Allerdings fand sich lange kein Käufer. Nur der Freundeskreis der Stadtbibliothek nutzte die Räume für seine Bücherbasar.
Erst ab 2013 folgte dann die komplizierte denkmalgerechte Innensanierung samt der Physiotherapie-Praxis und der Wohnungen durch Karl Elmer. Der Investor hat in der Rannischen Straße gleich mehrere denkmalgeschützte Gebäude saniert. 25 Jahre nach der Wende ist Halles wohl schönstes Haus wieder mit Leben erfüllt.
