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Die Quelle der Weißen Elster Quelle der Weißen Elster: Start gleich hinter dem Grenzstein

Von Hans-Ulrich Köhler 07.08.2016, 09:10
1896 hat man eine als Quelle der Weißen Elster markiert und im Stil der Zeit bei Vyhledy (Steingrün) in Stein gefasst.
1896 hat man eine als Quelle der Weißen Elster markiert und im Stil der Zeit bei Vyhledy (Steingrün) in Stein gefasst. huk

- Es schmatzt und quietscht unter den Fußsohlen, bei jedem Tritt sinkt der Fuß etwas ein. Es ist ein sehr feuchter Ort, an dem die Weiße Elster in Böhmen entspringt.

Ihr Geburtsort liegt in einem geografischen Unikum, wie der Blick auf die Karte verrät. Schmal, kaum zehn Kilometer breit, ragt ein Zipfelchen Tschechien nach Deutschland hinein, im Osten liegt Bad Brambach, im Westen die A 93.

Mittendrin Aš, das von Besuchern aus Deutschland immer noch Asch genannt wird, und auch sonst scheint im Elster-Quellland zu gelten: Hier wird deutsch geschrieben. „Rinderbraten nach Zigeunerart“ und „Panierte Schweineleber“ werden auf der Schiefertafel vor dem Dorfgasthof von Vyhledy angeprießen und auch in anderen tschechischen Restaurationen ringsmum wird viel deutsch gesprochen und gegessen.

Von Vyhledy aus ist es nicht weit hinauf zur Quelle der Weißen Elster, die die Tschechen natürlich Bílý Halštrov Pramen nennen. So wie die Deutschen zu Vyhledy Steingrün sagen.

Denn hier ist eine Gegend mit großer Geschichte, tschechischer wie deutscher. Hier war das Sudetenland, in dem überwiegend Deutsche lebten und das Hitler sich mit dem Münchner Abkommen von 1938 „heim ins Reich“ holte.

Die 3,2 Millionen Deutschen dort wurden dann nach Kriegsende mit dem berüchtigten Beneš-Dekret von den Tschechen vertrieben. In diesem Landstrich entspringt die Weiße Elster.

Aus Vyhledy führt eine schmale Straße Richtung Westen hinaus. Nach zwei Kilometern kommt ein Parkplatz, von dem aus man zur Quelle loslaufen oder mit dem Rad fahren kann. Eine Schranke versperrt Autos den Weg.

Nach 1,7 Kilometern erreicht man den sumpfigen Quellort. Er liegt nur ein paar hundert Meter von der Staatsgrenze zwischen Tschechien und Deutschland entfernt. Seit die Grenzen offen sind, kann man in einer halben Stunde auch vom vogtländischen Bärendorf hinüber wandern.

Oben an der Grenzlinie unweit der Quelle vergammeln die Grenzpfähle. Nur weiße Grenzsteine im bemoosten Boden zeigen an, in welchem Land man gerade ist. Das „Deutschland-Schild“ ist aus seinem stählernen Rahmen verschwunden, daneben rostet das tschechische Staats-Schild vor sich hin.

Verwitterte Wegweiser zeigen im Wald auf Tschechisch und Deutsch die Richtung zur Quelle an. Nagelneu und knallgelb die Wegweiser für Radfahrer. Die Nummer „2062“ geleitet Biker hierher. Das letzte Stück zur Quelle ist ein zwanzig Meter langer Holzsteg, der sumpfiges Terrain quert. Auf halbem Weg bietet eine Schutzhütte Unterstand.

Von hier, 724 m hoch im Elstergebirge, startet auch ein beliebter Radfernweg, der seinen Endpunkt bei 80 m über Normalnull an der Elstermündung in Halle-Süd findet, gut 250 km lang.

Mit dem Vogel Elster hat diese Elster nichts zu tun. Der Name wird vom indogermanischen Sprachstamm abgeleitet, Al-Astra steht für strömen oder fließen. Doch bevor es strömt und fließt, tritt die Elster als fingerbreites Rinnsal aus einem steinernen Bottich aus, darüber erhebt sich ein steinerner Aufbau, davor Holzbretter für bequemeres Laufen.

Am 21. Juni 1896 weihte der Vogtländische Gebirgsverein - unter Hochrufen auf den Kaiser, wie Chronisten berichten - den biederen Quell-Stein ein. Ringsum wuchern heute meterhoch Farne. Gegenüber steht eine Bank, auf der man grübeln kann, wofür das Wappen über dem Schriftzug „Elster-Quelle“ stehen könnte.

Elf Kilometer plätschert sie durch Tschechien, dann kommt sie in Deutschland an. Bereits auf diesem kurzen Weg wurde sie erstmals aufgestaut, das passiert ihr noch öfter bis nach Halle. Neben der Bank sieht der Besucher an eine Birke genagelt ein winziges Schränkchen.

Tür auf und siehe da: Es ist eine Art Gipfelbuch, das die Elsterquelle womöglich als einzige Quelle eines deutschen Flusses hat. Es wird fleißig eingetragen, wer wann die Quelle besucht hat - fast alles Deutsche, fast alles Ostdeutsche.

So wie Rüdiger und Gisela aus Tröglitz bei Zeitz. Sie wollten am 29. Juli 2016 mal sehen, wo das Wasser herkommt, das zu Hause im Elstertal regelmäßig zum Hochwasser ausartet.

Anja und Lars berichten dagegen über ihre Radtour von Schöneck herüber, und irgendwer hat quer über eine Seite geschrieben „Merkel muss weg!“. Das werden Roman und Jana aus Prag nicht verstehen, die beiden waren mit ihrer „Maminka Terzka“ hier, wie sie mit ungelenker Zweitklässler-Schrift und einer Zeichnung des Trios vermerken: „Hier war es schön“.

Es ist ein lauschiger Ort, still, friedlich, feucht, ein deutscher Ort im fremden Land. (mz)