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Prozess um Halle-Attentat Prozess um Halle-Attentat: Wer ahnte den Terrorplan von Stephan B.?

Von Jan Schumann 29.07.2020, 13:35
Der angeklagte Stephan Balliet wird von Justizbeamten zum Hubschrauber gebracht und in die JVA Burg geflogen.
Der angeklagte Stephan Balliet wird von Justizbeamten zum Hubschrauber gebracht und in die JVA Burg geflogen. dpa

Magdeburg - Im Prozess gegen den rechtsextremen Synagogen-Attentäter Stephan B. versuchen die Opferanwälte, das engste Umfeld des Angeklagten zu ergründen. Im Zentrum steht die Frage, ob Familienmitglieder und Bekannte von B.s großem Judenhass wussten - und mögliche Gewalttaten ahnten. Parallel zum dritten Prozesstag in Magdeburg wurde am Dienstag die zerschossene Eingangstür der halleschen Synagoge ausgetauscht. Sie hatte am 9. Oktober 2019 den Schüssen des Attentäters standgehalten und so 52 Menschen das Leben gerettet.

Im Prozess gingen Nebenkläger am Dienstag Indizien aus den Ermittlungsakten nach, nach denen B.s enger Familienkreis über seinen tiefen Judenhass Bescheid wusste. So hatte die Schwester im Polizeiverhör erklärt, ihr Bruder hasse „alle Ausländer, vorrangig Juden“. Auch die Mutter müsse vom Antisemitismus des Sohnes gewusst haben, glauben Nebenkläger - womöglich habe sie ihn gar geteilt. Der 28-jährige B. erklärte hingegen, Gespräche über das Judentum habe es in der Familie nicht gegeben. „Nicht über einzelne Kommentare hinaus.“

Die Mutter des Angeklagten hat kurze Zeit nach dem Attentat ihres Sohnes einen Suizidversuch unternommen. Sie hatte einen Abschiedsbrief geschrieben, der im Gericht verlesen wurde, und mit Davidsternen versehen. Im Brief heißt es: „Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde.“ Und: „Dieser Staat hat mich und Stephan so im Stich gelassen.“ Vage schrieb sie außerdem über ihren Sohn: „Er hat sein Leben gegeben - für die Wahrheit - für euch.“ Stephan B. bestritt eine antisemitische Weltsicht seiner Mutter.

Das Gericht wird voraussichtlich weder die Mutter noch den Vater oder die Schwester des Terroristen befragen können. Als enge Verwandte des Angeklagten wollen sie die Aussage verweigern. Zudem schützt B. sein persönliches Umfeld. Er beteuerte, der Abschiedsbrief der Mutter sei nach einer Tablettenüberdosis entstanden. Der Antisemit erklärte, er habe auch außerhalb der Familie keine Gespräche über Politik geführt. Ihm sei höchstens „hier und da was rausgerutscht“. Der Extremist gab zu Protokoll: „Wenn man eine Einstellung hat im Leben, ist es schwer, sich permanent verstellen zu müssen.“

Bei der Aufklärung des Umfelds des Angeklagten beißen Gericht und Nebenklage bisher auf Granit. Seine Internetkontakte will B. schützen, „ich schwärze niemanden an“. Nebenklage-Anwälte konfrontierten den Terroristen am Dienstag mit einer Liste von Personen, die ihn unter anderem in der Untersuchungshaft kontaktiert hatten. „Ich gebe keine Auskunft zum Inhalt meines Briefverkehrs“, blockte er.

Bei dem Anschlagsversuch war B. 2019 an der Synagogentür gescheitert. Neun Monate nach der Tat wurde die beschädigte Tür nun erneuert. Sie ist das Werk des Dessauer Tischlers Thomas Thiele. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, sagte, die beschossene Tür soll Teil eines Mahnmals werden. Es soll zum Jahrestag des Anschlags fertiggestellt werden. (mz)