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„Wir nutzen die Atmosphäre als Labor“ Physikunterricht mal anders - Gymnasiasten lassen Wetterballon steigen

Eine Gruppe von Schülern des Georg-Cantor-Gymnasiums wird zu Atmosphärenforschern und lässt einen eigenen Wetterballon fliegen. Ein Video zur Aktion.

Von Chiara Hiller 20.07.2021, 14:50
Kurz vor dem Abflug: Auf diesen Moment haben die Physikschüler viele Monate hingearbeitet.
Kurz vor dem Abflug: Auf diesen Moment haben die Physikschüler viele Monate hingearbeitet. (Foto: Silvio Kison)

Halle (Saale)/MZ - Naturwissenschaften, Technik und Physik sind nicht bei allen Schülern die beliebtesten Lerngebiete. Oftmals fehlt es an Verständnis und Praxisbezug. Das möchte Immo Kadner ändern. Deshalb hat der Berliner Physik- und Mathematiklehrer mit dem Ingenieur Bernd Schirmer den gemeinnützigen Verein Nawi School gegründet. Zusammen bringen sie echte Experimente an Schulen. Eine dieser Schulen ist das Georg-Cantor-Gymnasium in Halle. Dort haben sich Schüler der zehnten Klasse monatelang intensiv vorbereitet: Auf den Einsatz eines eigenen Wetterballons.

„Das ganze Projekt hat letztes Jahr im Oktober begonnen, als Herr Kadner und Herr Schirmer das erste Mal bei uns waren und uns erklärt haben, worum es geht“, berichtet Timo, der aktiv am Experiment beteiligt ist. „Ab da haben wir dann besser verstanden, was ein Wetterballon ist und angefangen, in kleinen Gruppen daran zu arbeiten.“ Im wahlobligatorischen Physikkurs von Lehrerin Anett Tuppack haben die Schüler beispielsweise eigene Sensoren gelötet, zusammengebaut und programmiert. Heute kommen sie zum Einsatz.

„Der Wind ist unser größter Feind“

Gegen 10 Uhr ziehen sich die Schüler weiße Handschuhe an und versammeln sich um den am Boden liegenden Ballon. „Wir sprechen jetzt nochmal den Ablauf durch und machen einen letzten Check. Die Handschuhe tragen wir, um den Latex-Ballon nicht zu beschädigen, wenn wir ihn berühren“, erklärt Bernd Schirmer. Der richtige Umgang mit dem Ballon und der Technik ist wichtig – schließlich soll so kurz vor dem Start nichts mehr schiefgehen. Damit dieser Start möglichst komplikationsfrei verläuft, sucht das Team nach einer geeigneten Fläche, möglichst weit entfernt von Bäumen und anderen potenziellen Hindernissen.

Mit einem Netz fixiert die Gruppe den Ballon, während er aufgepumpt wird.
Mit einem Netz fixiert die Gruppe den Ballon, während er aufgepumpt wird.
(Foto: Silvio Kison)

Um 10.20 Uhr ist der perfekte Ort für den Start gefunden. Die Schüler und ihre Mentoren knien sich um den Ballon und beginnen, ihn mit Helium zu füllen. Die passende Menge an Helium haben sie vorher ausgerechnet. Mit einem kleinen Luftballon überprüft Immo Kadner gleichzeitig, aus welcher Richtung der Wind kommt. Er hat Bedenken: „Der Wind ist unser größter Feind, besonders, weil er sich momentan ständig dreht. Dadurch besteht das Risiko, dass der Ballon in den Bäumen hängen bleibt. Es ist spannend heute.“ Eine Menge schaulustiger Schüler und Lehrkräfte hat sich bereits versammelt und sieht zu, wie der Ballon immer größer wird. Sie alle möchten das physikalische Experiment aus der Nähe beobachten. Ob alles gut geht?

„Wir nutzen die Atmosphäre als Labor“

Es ist 10.40 Uhr als Bernd Schirmer die Schnur schließlich loslässt. Jetzt geht alles ganz schnell. Sofort schießt der weiße Wetterballon in die Höhe – die Styroporbox mit Kamera und Messgeräten im Gepäck. Der Ballon wird ungefähr 100 Kilometer weit fliegen und eine Höhe von 30 Kilometern erreichen. Damit schafft er es bis in die Stratosphäre, die zweite Schicht der Erdatmosphäre und sammelt dort Daten. Aber wofür? „Wir nutzen die Atmosphäre als Labor und messen Temperatur, Druck und Luftfeuchtigkeit.

Wenn alles klappt, können wir die Höhe der Tropopause bestimmen, diese dann mit den Zahlen der letzten Jahre vergleichen und Informationen über das Klima daraus ableiten“, beschreibt Immo Kadner. So verbindet das Projekt von Nawi School, gefördert von der Dr. Hans Riegel-Stiftung, Theorie mit Praxis. Und vielleicht weckt ein solches Experiment auch eine neue Begeisterung für Physik im ein oder anderen Schüler.