Personalmangel bei Erziehern Personalmangel bei Erziehern: Der Markt ist leergefegt - Was nun?

Halle (Saale) - Im Hort der Lessingschule in der Schleiermacherstraße herrscht Hochbetrieb. Kinder huschen durch die Räume. „Mit Beginn des neuen Schuljahrs im Sommer hat die Kapazität nicht mehr gereicht. Wir mussten beim Jugendamt eine erweiterte Betriebserlaubnis beantragen“, sagt Leiterin Elke Richter.
327 Mädchen und Jungen werden im Hort betreut, der vom Awo-Regionalverband Halle-Merseburg betrieben wird. Die Kehrseite der Medaille: Dort, wo mehr Kinder in einer Einrichtung sind, ist auch mehr Personal notwendig. Pro 20 Kinder im Hort ist eine Erzieherin erforderlich. Im Kindergarten lautet die Quote 1:12,5, in der Krippe 1:5,5.
Bewerbungen von Erziehern sind rar geworden
Allerdings ist es für die Betreiber von Kitas zunehmend schwierig, geeignete Fachkräfte zu finden. „Noch können wir den erforderlichen Betreuungsschlüssel in unseren Einrichtungen absichern. Bewerbungen sind aber rar geworden. Es stehen zu wenige Fachkräfte zur Verfügung“, erklärt Sylvia Hörner, Fachbereichsleiterin für die Kitas und Horte im Awo-Regionalverband, der in Halle und dem Saalekreis 2.447 Kinder betreut und 245 Kita-Mitarbeiter beschäftigt.
Das Thema Personal hat auch für die Stadtverwaltung höchste Priorität. 5 357 Kinder gehen in Kitas des städtischen Eigenbetriebs, 5.715 werden von freien Trägern betreut. „In der Altersgruppe der Sechs- bis Zehnjährigen gehen wir bis 2023 von einer Steigerung der Kinderzahl um sechs Prozent aus“, sagt die Beigeordnete für Bildung und Soziales, Katharina Brederlow. Für 2018 rechnet Halle daher mit 185 Kita-Plätzen, die zusätzlich benötigt werden, 2019 dann mit weiteren 315 Plätzen.
Der Markt gibt keine Erzieher mehr her
Alleine im städtische Eigenbetrieb seien daher im kommenden Jahr weitere 23 und 2019 nochmals 39 Vollzeitstellen erforderlich. „Der Markt gibt das nicht her, zumal nicht nur in Halle der Betreuungsbedarf steigt, sondern auch in Leipzig“, sagt Jan Kaltofen, Chef des Jobcenters in Halle. Das Problem aus Kaltofens Sicht: Die fünfjährige Erstausbildung für Erzieher sei nicht lukrativ, „weil die Azubis dabei kein Geld verdienen“. Und für Quereinsteiger, die sich umschulen lassen, seien die Hürden hoch. So benötigen Bewerber eine soziale Ausbildung und müssen 600 Stunden Praxis nachweisen. „Andere Bundesländer bieten eine duale Ausbildung an. Das wäre auch ein Weg“, so Kaltofen.
Brederlow hat eine ähnliche Meinung. Das Land müsse mehr Erzieher ausbilden, die Ausbildungszeit verkürzen und die Anerkennung von Berufsabschlüssen, die im Ausland erworben worden sind, erleichtern. „Außerdem ist die Ausweitung berufsbegleitender Ausbildungsgänge ein notwendiger Schritt“, sagt sie. Um den Bedarf abzudecken, soll im Sommer 2018 der Kita-Neubau in der Schimmelstraße eröffnet werden. Außerdem plant die Stadt den Neubau einer Einrichtung in der Dürerstraße sowie eine Erweiterung der Kita Traumland-Sausewind in der Albert-Schweitzer-Straße. Die steigende Kinderzahl ist sicher auch einer der Gründe dafür, dass die Einwohnerzahl in Halle seit 2012 von 232.000 auf nunmehr rund 241.000 Menschen gestiegen ist.
Awo setzt auf Attraktivität
Der Awo-Regionalverband, der acht Kitas und Horte in Halle sowie neun Einrichtungen im Saalekreis betreibt, setzt derweil auch auf Zeitarbeitskräfte, um Personalnot ausgleichen zu können. Vier dieser „Leiharbeiter“ sind aktuell in Awo-Einrichtungen in Halle beschäftigt. „Natürlich arbeiten wir auch an unserer Attraktivität als Arbeitgeber“, sagt Hörner. Dazu zählen eine bessere Altersvorsorge, zusätzliche Gesundheitsleistungen oder mehr Urlaubstage. In Halle zahlt die Awo nach dem Tarif im öffentlichen Dienst, im Saalekreis nach dem paritätischen Tarif.
Außerdem arbeitet die Awo an einem Modellprojekt des Bundes mit, das Quereinsteigern den Weg in den Beruf ebnet. „Aus dem Projekt sollte reguläre Praxis werden“, fordert Hörner. Übrigens baut die Stadt derzeit in der Schleiermacherstraße einen neuen Schulhortgebäude. Das Objekt soll 2018 bezugsfertig sein. (mz)